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Die aktuelle Rezension
(Januar 2006)

Thea Dorn:
Die Brut
München: Goldmann Verlag 2005
415 Seiten
ISBN 3-44246079-4
Kind über Kopf




Tessa Simon moderiert Talkshows. Zunächst etwas abseits des Fernseh-Mainstreams, in einem dritten Programm. Dort aber so erfolgreich, dass sie mit ihrem Format alsbald ins Erste wechseln darf. Da allerdings ist sie schon schwanger.

Immerhin: Sie hat es geschafft. Während ringsum die Berliner Republik erodiert, wohnt sie in einem 300qm-Loft mit Dachterrasse. Und während die Scheidungsrate im Freundeskreis zunimmt, zieht sie der begehrte Film- und Fernsehschauspieler Sebastian Waldenfels vor den Altar. Und freut sich auf nichts so sehr wie darauf, Vater zu sein.

Aber er ist ziemlich unvorsichtig. Zum Beispiel löscht er seine e-mails nicht, wenn er sie gelesen hat. Nicht die harmlosen. Nicht die verfänglichen. So kommt es, dass Tessa Simon eines Tages auf ein paar Zeilen von Sebastians Ex stößt, die ihr zu denken geben. Und das ist keineswegs der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Thea Dorn ist alles mögliche. Unter anderem auch Fernsehmoderatorin und gern gesehener Talkshowgast. Mit Die Brut hat die 35jährige 2004 ihren fünften Kriminalroman vorgelegt. Es ist ihr bisher dickster und bester. Nun gibt es ihn als Goldmann-Taschenbuch.

Tessa und Sebastian, die Talkshow-Schöne und der 14 Jahre ältere, mal väterliche, mal feurige Schauspieler-Regisseur in einer Welt des Glamours und der locker sitzenden Moneten. Da ist erst einmal viel Klischee zu vermuten und die Dorn ist so intelligent, uns auch mit den entsprechenden Happen zu füttern. Nicht so viel, dass wir Verdauungsschwierigkeiten bekämen, aber genug. Doch hinter allem Glanz, jenseits von Gazetten und Gazettchen, in jenen Ecken, wo der Staub sich auf die goldnen Sternchen legt, ist von allem Anfang an ein Ton in diesem Buch zu spüren, der schauern macht.

Da ist noch gar kein Kind in Aussicht, doch man fröstelt schon. Da bedarf es gar nicht der bedrohlichen Anrufe, mit denen die werdende Mutter sich plötzlich konfrontiert sieht, um für das Neugeborene zu fürchten. Da sieht man dem über die Balkonbrüstung in den Tod entschwindendem kleinen Jungen nach und hat es doch schon immer gewusst. Nur wie der Roman letzten Endes wirklich ausgeht ist eine Überraschung, die so gut erfunden wie - wenn man so will - sozial versöhnend wie - für alle unbelehrbaren Happyendler - märchenhaft-unwirklich ist, eine Art Rückfall ins Paradies markiert, obwohl man längst jenseits von dessen Grenzen siedelt.

Natürlich: Die Brut ist ein Thriller und entsprechend gehört zu ihrem Personal ein Kriminalkommisssar, der den Fall am Ende standesgemäß löst. Doch seine wahre Spannung bezieht das Buch nicht aus der Trias Verbrechen-Verfolgung-Sühne, sondern aus seinem ungeschminkten Blick hinter die Kulissen einer Welt, die arme Menschen mit Vorbildern umstellt, denen sie nicht gerecht werden können, und die sie damit ins Unglück treibt.

Vielleicht ist Thea Dorns Roman insgesamt ein bisschen zu lang. Gut möglich, dass er die Phänomene, die er eigentlich bloßstellen will, hier und da zu liebenswürdig ausmalt. Aber er geht an die Substanz des Lebens und Überlebens in unserer Gesellschaft. Dahin, wo es wehtut. Ohne dass man indes schon genau wüßte, wo der täglich zunehmende Schmerz sein Quellgebiet hat.



© 2006 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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