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Simon Urban:
Plan D.
Roman


Frankfurt/ Main: Schöffling 2011
552 Seiten
ISBN 978-3-89561-195-7
Last exit DDR




Elfriede Brüning, Christa Wolf und Luc Jochimsen sitzen einträchtig beisammen im SED-Altenheim. Nach Peter Hacks wurde ein Kombinat benannt, in dem Separatorenfleisch hergestellt wird. Der "VEB Behindertenwerkstätten" schmückt sich mit dem Namen von Horst Sindermann. Derweil steht Claus Kleber dem SPIEGEL vor, Oskar Lafontaine als Bundeskanzler der BRD und Otto Schily (!) dem Ministerium für Staatssicherheit. Die Wiedervereinigung ist längst passé. Nachdem knapp anderthalb Millionen Bürger ihrer ungeliebten östlichen Heimat den Rücken gekehrt hatten, kam es ziemlich schnell zur so genannten "Wiederbelebung". Doch was da wiederbelebt wurde, pfeift nach wie vor auf dem letzten Loch. Praktiziert wird Sozialismus as usual - dumme Sprüche, Stasi, Sättigungsbeilagen.

Der Roman "Plan D" spielt vom 19. bis zum 29. Oktober 2011. Es sind Tage, die das deutsch-deutsche Verhältnis erschüttern. Denn die DDR unter Egon Krenz, braucht Devisen, sonst kann man den maroden Laden endgültig dichtmachen. Zur Voraussetzung von Wirtschaftsverhandlungen hat der reiche Bruder jenseits der 1991 eilig wieder hochgezogenen Mauer allerdings gemacht, dass die Genossen sich an Rechtsstaatlichkeitskriterien zu halten haben. Also bitte keine Stasimorde oder ähnliche Geschmacklosigkeiten mehr! Doch ausgerechnet da hängt an einer Gaspipeline im Wald bei Berlin die Leiche eines ehemaligen Politbüro-Beraters. Und alle Umstände deuten darauf hin, dass es sich um einen Ritualmord handelt, der in der Normannenstraße in Auftrag gegeben wurde.

Wild ist der Mix, den Simon Urban in seinem Romanerstling den Lesern präsentiert. Irgendwo zwischen Nachwenderoman - wobei dem Begriff "Nachwende" hier eine ganz neue Bedeutung angedichtet wird - und Thriller changiert das Ganze. Reizt mal zum Lachen, mal zu Nachdenklichkeit. Und ist doch unterm Strich nichts weniger denn eine Abrechnung mit all jenen Systemen, die nicht gewillt sind, Alternativen neben sich zu dulden. Das 20. Jahrhundert war geprägt von diesen "Ismen", die Selbstgefälligkeit mit Ignoranz, plakativ zur Schau getragene Menschenliebe mit zynischer Brutalität, rosige Zukunftsvisionen mit rostigem Stacheldraht so lange vermischten, bis man in den diese Gesellschaften steuernden Gremien und Apparaten komplett realitätsblind wurde.

Nun soll also ein neuer "Ismus" her, Posteritatismus genannt. Das System der Systeme! Damit es sich schnell etablieren kann, gilt es aber erst einmal, den laschen Sozialismus Krenzscher Prägung in den Abgrund zu befördern. Und so spinnt man in Separartistenkreisen eine Intrige, die das deutsch-deutsche Verhältnis endgültig vergiften soll. Denn wenn sich die beiden deutschen Staaten in die Haare geraten statt die erhofften guten Geschäfte miteinander zu machen, wäre das Ende der DDR aus Devisenmangel, das der BRD aus Mangel an östlichen Rohstoffen beschlossene Sache. So sieht er aus, der "Plan D". Und der tote Mann an der Pipeline, über die der Westen sich mit Gas versorgen will, stellt nur den ersten Zug in einem hinterhältigen Spiel dar.

Doch der Osten wehrt sich und setzt auf den Fall des Pipeline-Toten einen seiner besten Männer an: Martin Wegener von der Kripo Köpenick. Und damit das Ganze einen weltoffenen Touch bekommt, lässt man es zu, dass dem DDR-Ermittler ein Wessi über die Schulter schauen darf, Sonderermittler Richard Brendel. Getrennt und gemeinsam machen sich die beiden Helden daran, den scheinbaren Stasimord aufzuklären und das Verhältnis der beiden deutschen Staaten wieder geradezurücken.

"Plan D" ist Agentenroman und Sozialismuspersiflage zugleich. Ein in ähnlicher Weise von Ideen überschäumendes literarisches Debüt hat es lange nicht gegeben. Da stört es wenig, dass hin und wieder mal der Werbetexter Urban allzu deutlich durchschimmert. Mit der Beschreibung des geheimsten aller Stasi-Gefängnisse oder eines Trabi- Schrottplatzes mitten im märkischen Wald versöhnt der Autor seinen Leser ganz schnell wieder. Und wenn Margot Honecker Biermann-Balladen anstimmt und eine "frustrierte Frau mit Prinz-Eisenherz-Frisur" als "Physik-Nobelpreisträgerin Angela Kasner" vorgestellt wird kann man es kaum noch erwarten, dass Martin Wegener mit seinem nächsten Fall beauftragt wird.


© 2012 by Dietmar Jacobsen/ in: Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen. Heft 1/2012, S. 193 -195.


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