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Die aktuelle Rezension
(März 2009)

Richard Stark:
Keiner rennt für immer
Wien: Paul Zsolnay Verlag 2009,
287 Seiten
ISBN 978-3-552-05463-9
Was vorher geschah




Mit Fragen Sie den Papagei machte sich der Paul Zsolnay Verlag im vergangenen Jahr an die Wiederentdeckung zweier Kultfiguren des roman noir: des am 31. 12. 2008 im Alter von 75 Jahren verstorbenen Autors Donald E. Westlake sowie des von ihm erfundenen Gangsters Parker, dessen Abenteuer Westlake unter dem Pseudonym Richard Stark niederschrieb. Westlake gehörte sicher zu den Produktivsten seines Fachs. Allein 23 Parker-Romane verfasste er seit 1962 . Addiert man dazu jene Werke, die unter einem guten Dutzend anderer Namen veröffentlicht wurden, dürfte die Gesamtzahl seiner Bücher, sofern sie überhaupt ermittelbar ist, die Hundert um einiges überschreiten. In den 60er und 70er Jahren war Westlake auch auf dem deutschen Buchmarkt eine feste Größe, später verlosch das verlegerische Interesse an ihm. Allein wenn wieder einmal ein Film nach einem seiner Romane gedreht wurde - wie 1999 Payback mit Mel Gibson in der Hauptrolle, ein Remake des Gangsterklassikers Point blank (1967) von John Boorman - tauchte unter verkaufsstrategischen Gesichtspunkten auch das dazugehörige Buch, in diesem Fall der erste Parker-Roman, The Hunter (1962), für kurze Zeit auf.

Dem Zsolnay Verlag gebührt deshalb Anerkennung dafür, dass er Parker nach einer Pause von über 30 Jahren wieder auf das deutschsprachige Lesepublikum loslies. Und die wurde ihm denn auch nach der Veröffentlichung von Fragen Sie den Papagei von allen Seiten her zuteil. Keiner rennt für immer soll nun dafür sorgen, dass Parker die Position, die er so eindrucksvoll (zurück-) erobert hat - erster Platz auf der KrimiWelt-Jahresbestenliste 2008 -, weiter ausbaut. Ein kleines Problem stellt dabei - wie meistens, wenn man einen Autor publiziert, der eine Reihe von Jahren außer Acht gelassen wurde - die Chronologie dar. Soll man, ist die Frage, mit den aktuellen Titeln einsteigen und dann jene bringen, die schon ein paar Jahre zurückliegen, oder gebieten Handlungslogik und Figurenentwicklung eine umgekehrte Vorgehensweise.

Offensichtlich hat man sich bei Zsolnay entschieden, um der Aktualität Willen mit den neuesten Bänden einzusteigen und fünf bisher unübersetzte Titel, die zwischen 1997 und 2002 erschienen sind, später zu bringen. Wer allerdings die ersten 50 Seiten von Keiner rennt für immer gelesen hat, merkt spätestens dann, dass dieser Roman die Vorgeschichte von Fragen Sie den Papagei erzählt. Da wo jener beginnt, endet dieser. Dass beide relativ abgeschlossene Geschichten präsentieren - der eine den Überfall auf einen Geldtransporter, der andere den Raub der Einnahmen einer Pferderennbahn - ist dabei nicht so wichtig. Störender scheint mir, dass man als aufmerksamer Leser vom neuen Parker nicht mehr überrascht werden kann, weil man das weitere Schicksal der beteiligten Protagonisten leider schon kennt.

Womit wir bei der für Parker typischen Konstellation wären, die auch im vorliegenden Roman zu beobachten ist: Ein Profi gibt sich alle Mühe, ein lukratives Ding durchzuziehen, scheitert aber mit all seiner Perfektion an Amateuren, die Fehler auf Fehler begehen. Diesmal ist es die Fusion zweier Provinzbanken, die ein Gaunertrio reich machen soll. Aber schon bei der Vorbereitung des Coups - beim Überführen der Tresorinhalte der einen Bank in die Panzerschränke der anderen will man zuschlagen - treten so viele Pannen auf, dass man die Sache eigentlich sofort abblasen sollte. Nahezu jeder Beteiligte - und damit der Überfall wirklich klappt, müssen mehrere Personen zumindest teilweise eingeweiht werden - kocht sein Extrasüppchen. Und obendrein mischt auch noch ein Kopfgeldjäger-Pärchen mit, dass sich auf der Spur eines Gangsters befindet, den Parker eiskalt schon auf Seite 1 getötet hat.

Am Ende ist Richard Starks Held - wie meistens - ganz allein. Er hat so viele Kompromisse eingehen müssen, dass das gut durchdachte Unternehmen auf immer wackligeren Füßen steht. Als diese dann nacheinander wegbrechen, hilft selbst die beste Improvisation nicht mehr. Ein Wunder, dass man mit der Beute noch das vorbereitete Versteck erreicht. Aber da sitzt man schließlich fest. Dass man das versteckte Geld je wiederbekommen wird - kaum anzunehmen. Finis operis!

Keiner rennt für immer überzeugt durch seinen coolen Ton, die lässigen Dialoge und das um seine Hauptgestalt herum gruppierte Personal. Mit dessen wachsender Zahl wächst auch die Unwahrscheinlichkeit, dass das, was hier so gut geplant war, tatsächlich gut ausgeht. Im kriminellen Laientheater erobern die Nebenfiguren die Macht. Der Regisseur verliert zwar nicht die Nerven, aber nach und nach die Übersicht. Die letzten Seiten sehen ihn zu Fuß auf der Flucht. Stark-Leser wissen wohin - auf dem Gipfel des Hügels, den er erklimmt, Spürhunde im Nacken, wartet auf ihn ein Mann mit einem Gewehr, der sein Zuhause mit einem Papagei teilt.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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