Home
Kurse
Termine
Lektorat/ Korrektorat
Webdesign
Links
Rezensionen
Kontakt
Impressum
www.text-und-web.de
Weiterbildung/ Text-Management/ Design
Die aktuelle Rezension
(November 2008)

Rex Miller:
Fettsack.

Bellheim: Edition Phantasia 2008
269 Seiten
ISBN 978-3-937897-30-1
500 Pfund Gnadenlosigkeit




Er ist der absolute Alptraum. Bevor man ihn sieht, nimmt man ihn schon wahr, riecht ihn als eine "Mischung von ungewaschenem Körper und Kloake und dem Schwefelwasserstoffaroma verdorbener Lebensmittel". Wenn er dann da ist, ist es meist schon zu spät. Es sei denn, man hat Glück wie jene Frau hinter der Theke eines Lebensmittelladens, die er nur in Gedanken ausweidet, während er sich mit "Omelettes für vierzig Dollar" davonmacht.

Die Rede ist von Daniel Bunkowski. Rex Miller (1939 - 2004), Rundfunkmann und Popkultur-Verehrer, hat ihn erfunden. 1987 übrigens schon. In den Kindertagen des Serienkillerromans. Nun hat die Edition Phantasia/ Bellheim das Buch in einer Neuübersetzung durch Joachim Körber herausgebracht. Und der Leser sieht sich einem Text gegenüber, der in einer bisweilen rauschhaften Sprache hineinkriecht in die schwarze Seele einer 500 Pfund schweren Bestie, für die brutales Töten der Alltag ist und die sich dem "scharlachroten Brüllen" in ihrem Kopf hingibt wie andere der Zigarette danach.

Bunkowski, Spitzname "Chaingang", ist ein Produkt des Vietnamkriegs. Doch der ist längst vorbei, als der auf Lautlosigkeit und Schnelligkeit trainierte Einzelkämpfer Chicago heimsucht und einfach weitermordet. Alles, was ihm über den Weg läuft. Ohne Skrupel. Ohne Gnade. Ohne auch nur einen Anflug von moralischen Bedenken, einfach jenen Instinkten folgend, die ihm im vietnamesischen Dschungel das Überleben sicherten.

Der Roman bietet gegen die Bestie in seinem Zentrum einen Mann namens Jack Eichord auf - einen einsamen Wolf mit einem Bündel von Problemen am Hals, ständig in Gefahr, zurückzufallen in den Alkoholismus, aus dem er sich nach Jahren der Abhängigkeit herausgekämpft hat. Eichord leidet unter Einsamkeit und Depressionen, er hat Schwierigkeiten, sich in Beziehungen so zu verhalten, dass sie lebendig bleiben und er verliebt sich ausgerechnet in die Frau eines Bunkowski-Opfers, was ihn, ohne dass er es ahnt, schnell nahe heranbringt an das Ungeheuer, das er jagt.

Miller erzählt das alles wie in Trance. Es wechseln die Schauplätze, es wechseln die Personen, es wechseln die Figurenperspektiven. Lebenswege überschneiden sich, werden miteinander verwoben und ein und dieselbe Episode spiegelt sich nacheinander in verschiedenen Hirnen - man nimmt es atemlos zur Kenntnis. Kein Wunder bei solcher Rasanz und der vollkommen fehlenden Rücksicht auf den so genannten "guten Geschmack", für den weniger immer mehr ist, dass Slob, wie Fettsack vieldeutig im Original heißt, seit seinem Erscheinen viele Verehrer gefunden hat. Offensichtlich liebte und liebt man an diesem Buch, dass es keine Rücksichten nimmt, sich nicht in Erklärungsversuchen verausgabt, Eichord gegen Bunkowski antreten lässt wie gegen eine Naturgewalt, um ihn am Ende an der einzigen Stelle zu packen, an der er verwundbar ist.

Es hat in den knapp 21 Jahren seit dem Erscheinen dieses Buches mehr als genug Versuche gegeben, den Serienkillerroman weiterzuentwickeln. Mal drehten die Autoren an der Schraube Grausamkeit, mal suchten sie nach neuen Opfergruppen. Hochgebildete Ungeheuer wurden von der Kette gelassen und die Methoden der Jagd auf die mordenden Außenseiter verfeinerten sich beständig.

An der Modernität von Fettsack vermochten alle diese sich in der Regel aus einem sehr beschränkten ästhetischen Arsenal bedienenden Versuche nicht zu rütteln. Man hat hier tatsächlich den ziemlich einmaligen Fall, dass ein literarisches Genre bereits mit seinem Höhepunkt einsetzt und dann in eine lange Verfallsgeschichte übergeht. Nichts Neues mehr unter der Sonne, seitdem Jack Eichord seinen Gegener in der Chicagoer Kanalisation aufspürte. Und visionär schließlich auch der Vorschlag von Millers Helden, wie man den Kampf gegen das Rauchen effektiver gestalten könnte: "Stellen Sie sich vor, der Gesundheitsminister könnte auf eine Packung Glimmstengel drucken lassen: WENN SIE RAUCHEN, KREPIEREN SIE. Das wäre vermutlich etwas wirkungsvoller als die momentanen Weicheierhinweise." Braucht es der Beweise mehr? Nein, Miller ist, obwohl schon tot, voll auf der Höhe unserer Zeit.



© 2008 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


Lesen Sie bitte hier meine letzten Rezensionen

Zum Seitenanfang
Zur Startseite