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Die aktuelle Rezension
(April 2009)

Oliver Bottini:
Jäger in der Nacht
Frankfurt/ Main: Scherz Verlag 2009,
329 Seiten
ISBN 978-3-502-11018-7
Des Menschen Hang zur Grausamkeit




Jäger in der Nacht ist Oliver Bottinis vierter Kriminalroman um die Freiburger Hauptkommissarin Louise Bonì. Jeder, der die ersten drei gelesen hat, weiß um die menschlichen Qualitäten dieser sympathischen Ermittlerin, die inzwischen 44 Jahre alt, mit einem neuen Auto und einem neuen Beinahe-Lebenspartner ausgerüstet ist und dennoch nicht zu dem findet, was ein normales Leben ausmacht. Natürlich könnte man einwenden: Wie soll sie das auch in ihrem Job, integriert in eine beständig konkurrierende Männergesellschaft und konfrontiert mit männlicher Gewalt, die grausame Opfer fordert. Doch Bonìs Gefährdungen, die sie in den vorangegangenen Büchern in die Alkoholsucht und immer wieder in nicht sanktionierte Aktionen trieben, haben vielfältige Ursachen, sind komplexer. Sie ist alles andere als ein einfacher Charakter und wie ihr Erfinder sie in jedem neuen Roman wieder an ihre Grenzen führt - körperliche wie solche des Verstands - sucht seinesgleichen in der aktuellen deutschen Kriminalliteratur.

Diesmal hat der Fall, mit dem Bottinis Heldin konfrontiert ist, keine internationalen Dimensionen. Weder schwappen die Konflikte von europäischen Kriegsschauplätzen unserer Tage in die beschauliche Schwarzwaldgegend herein, noch ist internationalem Menschenhandel oder Terrorismus in den Arm zu fallen. Lediglich eine junge Frau wird vermisst, Studentin in Freiburg und Tochter eines Bonner Tycoons mit Beziehungen, die auch die hiesige Kriminalpolizei auf Trab zu bringen vermögen. Die freilich hat noch das Geheimnis um einen zweiten Verschwundenen zu lüften, den 15-jährigen Eddie, der in einem rechtsrheinischen Dorf abgängig ist.

Natürlich ahnt, wer Bottini kennt, dass diese beiden Fälle miteinander zu tun haben. Und wie immer legt ein Prolog genannter erster Romanteil die entsprechende Beziehung für den Leser auch offen. Das Freiburger Kommissariat freilich hat noch einen langen Weg vor sich, bevor man die Hintergründe einer Tat begreift, die drei Menschenleben kostet und in eine ganze Reihe anderer Existenzen auf unheilvolle Weise eingreift. Dass der Gegner diesmal auch in den eigenen Reihen zu suchen ist, erschwert die Ermittlungen zusätzlich und sorgt dafür, dass sie zunehmend in einer Atmosphäre des Misstrauens vor sich gehen. Und natürlich wagt sich auch Louise Bonì wieder einmal so weit vor, dass sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihren neuen Freund, Ben Liebermann, der sie im Vorgängerbuch - Im Auftrag der Väter - durch die zerstörten Landschaften Ex-Jugoslawiens geleitet hat, in Gefahr bringt.

Jäger in der Nacht besticht vor allem durch die präzise gearbeiteten Porträts der Figuren, die nach und nach in den Fokus der Kriminalisten geraten. Halbwüchsige mit desolatem Elternhaus, fühllos und immer am Rand der Kriminalität sich bewegend. Familienväter, mit absoluter Macht über ihre willenlosen Frauen und Kinder ausgestattet, nur einen Schritt entfernt von jenem Punkt, der ihre Existenz für immer ins Chaos stürzen würde. Und zwei alte Frauen, denen ihre Erfahrungen, die bis ins Dritte Reich zurückreichen, beigebracht haben, jedem Menschen zu misstrauen, weil alle in den Sog der Gewalt hineingerissen werden können.

Gewalt als Bestandteil und Abgrund des Humanen ist das Thema des Buches. Es wird auf hintergründige Weise im Prolog angeschlagen und daraufhin in immer wieder anderen Konstellationen variiert. Bottini beschreibt, wie Gewalt in der Sprache der Freiburger Ermittler aufscheint und aus den alltäglichen Handlungen all derer, mit denen sie sich zu beschäftigen haben, gar nicht mehr wegzudenken ist. Gewalt dominiert die Verhältnisse in Familien und wird von Vätern an ihre Söhne vererbt. Und es bedarf nur eines unbedachten Momentes, der falschen Freunde zur falschen Zeit, damit sie ausbricht auch bei jenen, die sich vor ihr gefeit glaubten.

Am Ende muss sich selbst Louise Bonì, die in der Lage ist, die Gewaltverhältnisse um sich herum eiskalt zu analysieren, als Gewaltausübende erleben. In ihrer Existenz erschüttert, steht sie vor einem Spiegel und betrachtet ungläubig ihre Hände, die soeben immer wieder auf einen anderen Menschen eingeschlagen haben. Es ist die Konfrontation mit dem Tier in uns allen, jenem Unbekannten, zu dessen Eigenschaften es nach Nathanael Hawthorne (1804 - 1864) - Bottini verwendet ein Zitat aus dem Werk des amerikanischen Schriftstellers als Motto - gehört, "grausam zu sein, sobald er die Macht besitzt, anderen Böses zu tun".



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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