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Die aktuelle Rezension
(November 2010)

Nora Miedler:
Die Musenfalle

Hamburg: Argument Verlag 2010,
250 Seiten
ISBN 978-3-86754-190-9


... alles andere aus der Krimiwelt
täglich bei:

Opfer für die Kunst




Nach Warten auf Poirot, dem raffinierten, kammerspielartigen Thriller um fünf Freundinnen, die in winterlicher Bergeinsamkeit erfahren müssen, auf welch tönernen Füßen ihre vielbeschworene Freundschaft steht, ist Die Musenfalle nun der zweite kriminalliterarische Streich der Wiener Schauspielerin Nora Miedler. Wieder steigt man in das Geschehen über eine junge Frau ein, die auf den ersten Blick uneingeschränkt sympathisch rüberkommt, ehe sie dem Leser nach und nach auch ihre dunklen Seiten offenbart. Lilly Sommer ist Schauspielerin, aber die großen Rollen hat sie noch nicht ergattert. Trotzdem gibt es eingangs Anlass zu Freudentänzen, denn Lilly darf für eine Fernsehwerbekampagne ihr Gesicht - und nicht nur das - hinhalten. Als "Green Poison" soll sie den Zuschauern ganze zwei Jahre lang klarmachen, warum der Handykonzern "Mobitel" besser ist als alle seine Konkurrenten. Damit scheint die Zukunft der ehrgeizigen Dame fürs Erste gesichert.

Allein die Freude währt nicht lang. Kann Lilly es doch partout nicht lassen, ohne jede Not mit dem fast doppelt so alten Mobitel-Boss Alexander Strehl in die Kiste zu hüpfen beziehungsweise auf dessen fußbodengeheiztes helles Parkett zu sinken - eine Art Besetzungscouch-Szene, nur leider völlig überflüssig. Denn die Rolle, um die Starlet und Regisseur/ Produzent auf der berüchtigten Sitzgelegenheit so gerne rangeln, hat sie ja schon -nebst einer Menge Ärger. Denn kurz nachdem der rollige Konzernchef mit dem männlich-markanten Aussehen sich von der unbedachten jungen Dame hochgerappelt hat, liegt er auch schon wieder flach - diesmal allerdings für immer. Und weil Lilly natürlich sofort unter Tatverdacht steht, sieht sie sich fortan gezwungen, undercover selbst an der Aufklärung des Falles mitzuarbeiten.

Nora Miedler hat sich für Die Musenfalle ein Milieu ausgesucht, in dem sie sich bestens auskennt. Ihre Helden - neben Lilly Sommer spielen noch der oscarnominierte Ein-Film-Boy und Frauenliebling Dino Winter und die mit ihrem Namen an die berühmte Sarah Bernhardt erinnernde Frieda Bernhard, Prinzipalin einer elitären Wiener Schauspielkommune, zu der jeder Jungschauspieler gern gehören würde, wichtige Rollen - sind allesamt der Bühne verfallen. Im Rampenlicht zu stehen, im Applaus zu schwelgen, angehimmelt zu werden wie Götter, die nicht von dieser Welt sind - das ist ihr großer Traum. Doch Träume sind das eine und mit der Realität der Träumer haben sie meist nur insofern zu tun, als sie das darin Fehlende illusorisch bunt bebildern.

Sobald man aufwacht, muss man nämlich kämpfen - Tag für Tag. Sich durchsetzen gegen die vielen nicht weniger Begabten. Die Ellenbogen gebrauchen. Speichellecken und Menschen hofieren, die man heimlich hasst. Um Zuschüsse betteln und sich mit dem Spatz in der Hand begnügen, auch wenn das nicht mehr als ein 20-Sekunden-Werbetrailer ist mit fünf idiotischen Worten Text. Kurz und gut: Man muss Rollen spielen, in Kostüme schlüpfen auch jenseits der Bretter, die die Welt bedeuten, sein wahres Selbst, dessen Wünsche und Begierden, Hoffnungen und Sehnsüchte gut in seinem tiefsten Innern verbergen, damit es nicht Schaden nimmt, kapituliert vor der harten Wirklichkeit oder ihr mit Hilfe von Räuschen aller Art zu entfliehen sucht.

Was Letzteres betrifft, gelingen Nora Miedler ein paar wirklich schöne Szenen, illustrieren ihre Figuren ganz unterschiedliche Arten, mit ihrer häufig bedrückenden Künstlerexistenz zurechtzukommen - von romantischer Hingabe und Opferbereitschaft, die sich von nichts aufhalten lässt und die größten Widerstände einfach ausblendet, über bitteren Zynismus bis hin zum Einsatz krimineller Energien. Insgesamt freilich hätte ich mir Miedlers zweites Buch etwas konzentrierter - auch inhaltlich schlanker - gewünscht. Nicht dem - allerdings nicht gerade seltenen - Fehler verfallend, das gelobte Erstlingswerk in jeder Beziehung übertreffen zu wollen, noch raffinierter zu plotten, noch brutalere Morde zu präsentieren, noch "literarischer" zu schreiben.

Warum zum Beispiel muss die Hauptfigur die erzählte Welt aus der Ich-Perspektive erleben, alle anderen Protagonisten aber dürfen sich hinter einem distanzierten personalen Erzählgestus verstecken? Ich sehe dafür keinerlei innere, dem Stoff entspringende Notwendigkeit. Warum Geschichten von steckengebliebenen Kondomen und aufgelösten Tampons? Sie bringen die Handlung nicht voran, sind weder witzig noch tabubrechend. Warum so viele Handlungsfäden, die am Ende zwar irgendwie wieder zusammengebosselt werden, auf dem Wege zu diesem Ende den Leser aber unnötig verwirren. Warum das alles, zumal die Autorin auf den letzten Seiten dann plötzlich zu alten Qualitäten zurückfindet. Und ganz am Ende - im Epilog - beinahe wieder so geheimnisvoll-doppeldeutig schließt wie in ihrem Erstling.


© 2010 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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