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Die aktuelle Rezension
(September 2009)

Mons Kallentoft:
Blut soll euer Zeichen sein

Reinbek bei Hamburg: Wunderlich 2009,
446 Seiten
ISBN 978-3-8052-0875-8
Der Sommer, als die Wälder brannten




Es ist heiß in Mons Kallentofts zweitem Roman, ungewöhnlich heiß. Rund um Linköping brennen die Wälder und es sieht nicht danach aus, als würde die Feuerwehr der Situation schnell Herr werden. Doch während die Hitze die Menschen lähmt und in ihren Aktionen einschränkt, scheint sie andererseits etwas auszubrüten, das wie ein Albtraum über die südschwedische Stadt kommt und Angst und Schrecken verbreitet. Plötzlich nämlich verschwinden minderjährige Mädchen am hellichten Tag, um kurz darauf nackt und verstört wieder aufzutauchen wie die 15-jährige Josephine oder tot und verstümmelt gefunden zu werden wie die 14-jährige Therese.

Ein Fall für Malin Fors, Kallentofts taffe Linköpinger Kommissarin. Die ist nicht gut drauf in diesem denkwürdigen Sommer. Nicht nur die Temperaturen machen ihr zu schaffen, auch ihr Privatleben ist kräftig durcheinandergeraten und einem Gutteil der mit ihr zusammenarbeitenden Kollegen geht es nicht anders. Allein die Zeit drängt und so muss sie die Sorgen um die eigene Tochter, Tove, die gerade mit ihrem von Malin geschiedenen Vater auf Auslandsurlaub ist, verdrängen. Über die schlimmsten Momente helfen außerdem Tequila und ab und an der schnelle Sex mit einem Journalisten, den sie freilich richtig einzuordnen weiß und nie mit Liebe verwechselt.

Womit wir fast alle Zutaten beisammen hätten, die nötig sind für einen richtigen "Schwedenkrimi", wie man sie hierzulande seit Nesser und Dahl, Mankell und Läckberg, Marklund und Larson so liebt. Allein hier liegt auch das Problem für all jene, die als Neulinge auf die Szene drängen. Um sich ein Stück vom Kuchen zu erobern, scheint es nämlich nicht zu genügen, das Verbrechen in einen Landstrich zu tragen, der bis dato kriminalistisch unbeleckt war, Blut da zu verspritzen, wo die Konkurrenz es bisher versäumte, und sich damit sozusagen seinen eigenen Claim abzustecken. Nein, wo so viele gute Autoren auf vergleichsweise kleinem Raum miteinander um die Gunst der Leser konkurrieren, muss der neu Hinzukommende ein bisschen an den vielen Schrauben drehen, die die Romane der anderen zusammenhalten. Das heißt: Er muss sich psychopathischere Verbrecher ausdenken als Stieg Larson, brutalere Morde präsentieren als Arne Dahl, größere Eheprobleme als jene der Annika Bengtzon seinen Helden bescheren und tiefer in die Psyche der Figuren hineinleuchten als Hakan Nesser - von Mankell und dessen sozialem approach ganz zu schweigen. Das dürfte zumindest die herrschende Meinung zu sein, wie man sie neueren Büchern aus dem europäischen Norden ablesen kann. Dabei wäre es doch eigentlich schon genug, einen ganz unverwechselbaren, sich von jenen der anderen unterscheidenden Stil zu entfalten. Denn mit der Sprache arbeiten sie ja alle und hier könnte am ehesten jener Quantensprung gelingen, der, wenn man ihn allein über den Plot zu erreichen gedenkt, zu immer unwahrscheinlicheren Konstruktionen führt, denen irgendwann auch der letzte gutgläubige Leser die Gefolgschaft verweigern dürfte.

Hat Mons Kallentoft das realisiert? Wenn ja, dann nur bedingt. Auch er ist auf Akkumulation des Schaurigen aus. Seine geschändeten, blutig verstümmelten und anschließend akribisch gesäuberten Mädchenleichen sollen verstören, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Autor eine eigene Sprache fehlt. Ja, oft ist er handwerklich gar so nachlässig, als ginge es allein um das Storyboard für den sofort zu drehenden "Film zum Buch" und nicht um jenes selbst. Und wo man staunt, weil was gelingt, schauen sie nur allzu deutlich durch, die Vorbilder, derer er sich bedient.

Für ganz verfehlt halte ich übrigens die - kursiv gefassten - Einwürfe jener Gestalten, die schon tot sind. Wie ein Brechtscher Chor schweben die über dem Geschehen, erheben warnend ihre Stimmen - die nicht gehört, aber gefühlt werden können -, halten lange Ansprachen an die Zurückgebliebenen und ermutigen die Kriminalisten, wenn es denen mal an Mut gebricht. Den Instinkt, über den Malin Fors verfügt, hätte man mit Sicherheit auch rationaler begründen können als mit diesem Esokitsch.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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