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Die aktuelle Rezension
(Mai 2010)

Martin Walker:
Grand Cru

Zürich: Diogenes Verlag 2010,
382 Seiten
ISBN 978-3-257-86194-5


... alles andere aus der Krimiwelt
täglich bei:

Vom Reiz der Provinz




Es ist alles überschaubar in diesem Saint-Denis. Jeder kennt jeden und weiß, wie der tickt. Man hilft sich und lädt sich gegenseitig zu Gast. Gutwillige Fremde haben es nicht schwer, integriert zu werden, wenn sie den Einheimischen ein bisschen entgegenkommen. Und weil man in der französischen Provinz lebt und die Anonymität der großen Städte weder kennt noch sucht, ist auch das Verbrechen ein eher seltener Gast in der kleinen Stadt. Jedenfalls fühlt Bruno Courrèges sich hier wohl. Der bald 40-jährige chef de police der Gemeinde im Vézère-Tal ist bei all seinen Mitbürgern wohl gelitten. Bürgermeister und örtliche Honoratioren hören auf seinen Rat. Für die Liebe stehen dem attraktiven Junggesellen gleich mehrere schöne Frauen zur Verfügung. Mit den paar Außenseitern, die seit Jahrzehnten in Saint-Denis leben und vorzüglich Käse produzieren und auf die Märkte im Umland bringen, hat er wenig Ärger. Und über kleinere Vergehen, die das friedliche Zusammenleben der Gemeinschaft inmitten der idyllischen Landschaft nicht wirklich stören, sieht er geflissentlich hinweg.

Bis eines Morgens ein Feld in Flammen steht und ein Feuerwehrmann, mit dem Bruno befreundet ist, fast ein Opfer des Brandes wird. Schnell ist klar, dass das Feuer gelegt wurde. Und natürlich fällt der erste Verdacht auf die Mitglieder jener Kommune, in der zwar Gewalt noch nie eine Rolle gespielt hat, wo man sich aber mit écolos jeglicher couleur vollkommen darin einig ist, dass genmanipulatives Eingreifen in die heimische Nutzpflanzenwelt rigoros abgelehnt werden muss. Auf dem abgebrannten Acker aber ist genau das geschehen. Ohne sich mit den örtlichen Instanzen zu verständigen oder gar für das Wasser zu bezahlen, mit dem man so heimlich wie großzügig seine experimentelle Saat bewässerte, hat eine hauptstädtische Firma hier Getreidegene manipuliert. Also ein Anschlag mit ökologischem Hintergrund?

Ehe der chef de police diese Frage in seiner besonnenen und immer auf Ausgleich bedachten Art klären kann, hat er allerdings ein weiteres Problem am Hals. Ein amerikanischer Weinmulti kündigt an, großzügig in die Gegend investieren zu wollen. Bauen will er und Arbeitsplätze schaffen und aus den an den Hängen des Tals wachsenden Reben eine international verkaufbare Marke machen. Damit das gelingen kann, müssen die Weinberge der Gegend ihren bisherigen Besitzern aber erst einmal abgeschwatzt werden. Der Junior des Hauses Bondino ist schon vor Ort und von der Firmenleitung mit allen Vollmachten ausgestattet. Weil es sich bei ihm allerdings um einen temperamentvollen jungen Mann handelt, kommt er sich bald ins Gehege mit einem Einheimischen. Beide sind sie scharf auf die etwas undurchsichtige Praktikantin Jaqueline aus dem kanadischen Québec, die in den Semesterferien bei einem örtlichen Weinhändler Erfahrungen sammelt, und ehe man sich's versieht, wird einer der beiden tot aus einem Weinfass gezogen.

Liebhaber des ganz harten Thrills kommen bei dem Schotten Martin Walker nicht auf ihre Kosten. Auch sein zweiter im Périgord spielender Kriminalroman um die Figur des Kleinstadtpolizisten Bruno ist eher von der leisen Sorte. Gemächlich geht es zu in Saint-Denis. Und alles, wirklich alles bleibt im politisch und ökologisch korrekten Rahmen. Es fällt kein Schuss, es blitzt kein Messer, nur ein paar übereifrige Demonstranten, die mit roten Farbbeuteln zu Gange sind, werden durch Angehörige der kleinstädtischen Rugbymannschaft - welche natürlich auch von Meister Bruno trainiert wird - zur Raisón gebracht. Tja, es ist fast ein wenig des Guten zu viel und während der Lektüre fürchtet man ab und zu, als nächstes gar einer Abordnung aus dem Forsthaus Falkenau zu begegnen, die im Vézère-Tal Schnepfen schießt.

Und trotzdem kann man am Ende dem Helden nur beipflichten, wenn er, allen erotischen Verlockungen und sich in Paris für ihn eröffnenden Aufstiegschancen trotzend, sein "Ja" zur Region bekundet und seinen rostigen Kleinbus weiterhin durch die zauberhafte Landschaft um Saint-Denis steuert. Ja, er ist zu beneiden, dieser Bruno. Doch irgendwann, denke ich, wird ihn sein Autor doch noch einmal auf die große Tour schicken müssen. Denn der Reiz des Ländlichen, der jetzt noch so gut funktioniert, verbraucht sich schneller, als man denkt.


© 2010 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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