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Manfred Wieninger:
Die Rückseite des Mondes
Hamburg: Edition Nautilus 2008, 64 Seiten
ISBN 978-3-89401-580-0
Der Neo-Pensionist und die Gerechtigkeit




Nein, es gibt keine Gerechtigkeit auf Erden, sie ist nurmehr "ein langes Wort aus einem Kreuzworträtsel". Was es hingegen gibt: einen "... weitgehend verkommenen Staat, in dem seit jeher der Unterschleif und die Freunderlwirtschaft, der Proporz und die Unkorrektheit und ein versteckt-perfider Hass aller gegen alle regiert hatten." Wer dem sich entgegenstellen will, steht allein da, ganz im Dunklen, ohne Licht. Es ist Die Rückseite des Mondes, die er damit wählt als seinen Ort.

Mit seiner für die Reihe Kaliber 64 der Hamburger Edition Nautilus geschriebenen neuen Erzählung führt uns Manfred Wieninger wieder einmal in die österreichische Provinz. Nicht nach Harland diesmal, sondern noch weiter hinab in die untersten Höllenkreise, die da Harm heißen und Laiden, ja, Laiden. Ebendort lässt er uns teilhaben am letzten Arbeitstag von Gruppeninspektor Franz Grassmann. Der hat schon anderthalb Jahre nichts wirklich Weltbewegendes mehr getan. Strafversetzt harrt er auf dem einsamen Posten aus, nachdem sein Vorgänger sich mit dem Pistolengurt ans Zellengitter knüpfte, und wenn er schließlich für immer geht, dann schließt mit ihm auch die örtliche Filiale der Polizeimacht ihre Pforten. Es lohnt nicht mehr, für Recht und Ordnung zu sorgen in der heruntergekommenen Gegend, und Grassmann ist zu alt, um sich den "Pimperl-Posten" durch verschärftes Durchgreifen selbst zu versauen. Also blieb er ruhig die ganzen 18 Monate und dachte sich bloß sein - manchmal ziemlich brutales - Teil. Doch Träumen ist natürlich nicht verboten - und vielleicht ist das, was Wieninger ihn als frisch gebackenen Neo-Pensionisten erleben lässt, in Wahrheit nichts als nur ein Traum.

Denn plötzlich geht es ihnen allen an den Kragen. Als wär' die selige Claire Zachanassian unter die Niederösterreicher gefahren, kriegen die verdrucksten Typen ihr Fett weg. Dem ewiggeilen Filialleiter des örtlichen Supermarkts wird sein "Zumpferl" an einen Werbeständer getackert. Vor Adrenalin berstende Jugendliche, die die Autobahn zu illegalen Geisterfahrten missbrauchen, finden sich mit gebrochenen Knochen wieder, nachdem ihr Honda-Coupé in Flammen aufging. Und der alte Gamerith, von dem Grassmann mit Sicherheit weiß, dass er seine Frau auf dem Gewissen hat, folgt ihr nach in die Jauchegrube seines Anwesens, nicht ohne seine Schuhe vorher noch ordentlich an deren Rand abzustellen.

Nur Grassmann selbst ist verwirrt und begreift nicht, was da auf einmal los ist. Denn nachdem er dem Stadtpolizeikommandanten von Harm zum Abschied genussvoll gegen das Mahagoni-Furnier der Bürotür gepinkelt hatte, wurde er in einer benachbarten Kneipe niedergeschlagen und hat den Tag der Rache leider verschlafen. Wenn er erwacht mit schwerem Kopf, ist die Laidener Welt eine andere geworden und er steht praktisch unter Generalverdacht.

Manfred Wieninger hat sich ins von der Kaliber 64 - Reihe vorgegebene Korsett pressen lassen. Nicht mehr als 64 Seiten durfte er schreiben. Dass ihm das nicht leicht fiel, ahnt der Leser, wenn er bei blakender Kerze die Augen zusammenkneift, damit ihm die winzigen Zeilen nicht ineinander schwimmen. Aber sei's wie es sei: Jenseits allen Blinzelns und Näherheranrückens an das dichtbezeilte Pocketbüchlein ist doch ein echter Wieninger zu entdecken. Böse, schräghumorig und bei jeder Gelegenheit an die unheilige Vergangenheit seines Heimatlandes gemahnend. Skurril in der Figurenzeichnung, voller aberwitziger Szenen und die Handvoll Austriazismen so einsetzend, dass auch wir Piefkes sie nicht nur verstehen, sondern gar beschmunzeln können.

Am Ende jedenfalls verlässt Franz Grassmann das leidige Laiden, an der Hand Svetlana, die Wirtin des Tankstellen-Cafés, in dessen Oberstübchen er geduldig auf seine Pensionierung gewartet hat. Und vielleicht laufen die beiden eines nicht so fernen Tages Marek Miert, dem Diskontdetektiv aus Harland, über den Weg. Das könnte was geben. Aber wenn, dann bitte wieder großkalibrig.



© 2008 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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