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Manfred Wieninger:
Rostige Flügel. Ein Marek-Miert-Krimi
Innsbruck-Wien: Haymon Verlag 2008, 228 Seiten
ISBN 978-3-85218-559-0
Highnoon in Harland




Hollywood-Filme aus der Schwarzen Serie fangen so an und neuerdings auch Werbespots. Hinter seinem unaufgeräumten Schreibtisch lümmelt der Privatschnüffler, die Beine hochgelegt. Der Kaffee in der Tasse ist kalt, die Zigarette zwischen den halb geöffneten Lippen erloschen, der Blick müde-verhangen. Sehnsucht nach einer Dusche, nach Seife, nach Sauberkeit, nach Erlösung. In hellen Streifen fällt Licht durch die Ritzen der nicht ganz geschlossenen Jalousien. Und dann ein Klopfen an der Milchglasscheibe der Tür, auf der man spiegelverkehrt in großen schwarzen Lettern seinen Namen lesen und dahinter im Vorzimmerlicht die geheimnisvolle Silhouette einer Unbekannten erkennen kann. Was kann ich für Sie tun, ist seine Standardfrage. Und ihre Antwort: Finden Sie meinen Mann!

Na gut, das alles muss man sich bei Manfred Wieninger ein bis drei Nummern kleiner vorstellen. Sein "Diskont-Detektiv" Marek Miert, der in Rostige Flügel schon zum fünften Mal die Nase in die Angelegenheiten anderer steckt, ist abgebrannt und übergewichtig. Die femme fatale, mit der es es zu tun bekommt, "kaum größer als ein Kind, aschblond und zum Zerbrechen zierlich mit einer Haut wie verschüttete Milch". Keine Lauren Bacall, keine Mary Astor, keine Veronica Lake. Aber auch kein L.A., sondern Harland in Ostösterreich mit seinen (laut WIKIPEDIA, Stand 2005) gerade mal 1665 Einwohnern. Und selbstverständlich ist die um ihren Gatten besorgte Kindfrau, wie man später erfährt, auch gar nicht verheiratet mit jenem halbblinden Buchhändler Hermann Frischauf, auf den sie Miert für gute Euros ansetzt.

Geschenkt. Denn Marek Miert, so begrenzt dessen Aktionsradius auch sein mag, versteht es, den Leser für sich einzunehmen. Gern folgt man ihm an anrüchige Orte, in zwielichtige Etablissements, hinter das Steuer seines langsam auseinanderfallenden Ford Granada oder auch für eine lange Nacht in ein Kellerverlies der örtlichen Verwahranstalt. Denn dieser grundsympathische Kerl ist immer für einen lockeren Spruch gut, schließlich ist er ein österreichischer Schnüffler, und von denen kennt, ja erwartet man das fast. Seine Weltsicht melancholisch-desaströs, sein Appetit enorm, seine Abgeklärtheit sprichwörtlich - was will man mehr. Skurriles Personal? Kein Mangel, eher Überfluss. Unfähige Polizisten? Aber hallo, eine ganze Schwadron, noch dazu ehemalige Kollegen Mierts, die nichts unversucht lassen, es dem Ex-Bullen heimzuzahlen.

Nein, das ist wirklich gut und liest sich weg. Auch wenn man bald aufpassen muss, denn zu dem einen Erzählfaden gesellen sich unversehens ein zweiter, ein dritter, ein vierter ... Und, wie das Fäden, wenn man sie unbeaufsichtigt lässt, so an sich haben, bald sind sie nicht mehr auseinanderzuhalten, verdröseln und verknoten sich, gehen für kurze Zeit verloren und finden sich später an unerwarteter Stelle wieder ein. Nichts für Ordnungsfanatiker, aber ein Fest für Freunde des Chaos, das man Leben nennt, und der Geschichten, die es scheinbar planlos durcheinanderwirft.

Und so wird es denn gelegentlich auch einmal ernst. Nicht alles ist halt wegschmunzelbar. Leichen finden sich an und Dealer werden auf offener Straße brutal überfahren. Ein afghanischer Flüchtling sucht vergeblich sein Recht auf eine würdevolle Existenz in einem Rechtsstaat und niemand will mehr etwas davon wissen, wie vor knapp 50 Jahren von der einheimischen Industrie mit Zwangsarbeitern umgegangen wurde. Da holt man eher ein paar Schläger aus den Ostblockstaaten, wo sie noch billig zu haben sind, und lässt es den verdammten Linken, die nicht aufhören können, in der Vergangenheit zu wühlen, mit Baseballschlägern einbläuen: Österreich ist ein sauberes Land!

Ach, übrigens: Miert überlebt. Er kommt in Gefahr und auch wieder raus. Er wird erpresst, versteht es aber, den Spieß umzudrehen. Hauptsache, er hat am Morgen seinen Kaffee, irgendwann im Laufe des Tages etwas Mehrgängiges im Magen und zwei, drei Flaschen des geliebten Weins - der darf auch gerne auserlesen und etwas teurer sein -, dann wird sich der Rest schon schicken. Am Ende sind die Fälle jedenfalls gelöst, in die er verwickelt war. Manche durch sein aktives Zutun, andere fast von allein. Und sogar eine kleine Utopie blitzt auf in der Welt dieses Einsamen, der doch so viele kennt. Gut möglich nämlich, dass ein bisschen Rost von seinen Flügeln fällt, wenn er mit Hermann Frischauf, den nichts abbringen kann von seinem Interesse für die Vergangenheit, und Dr. Adin, dem Afghanen, der sein Glück nun in Spanien versuchen will, am Schluss zusammensitzt bei Gebratenem und Wein. Drei gegen den Rest der Welt.



© 2008 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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