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Die aktuelle Rezension
(Dezember 2009)

Liza Marklund:
Kalter Süden
Berlin: Ullstein 2009,
518 Seiten
ISBN 978-3-550-08751-6
Die Marbella-Morde




Eines gleich vorweg: Jene Leser, die den siebten Fall der Annika Bengtzon - Lebenslänglich (2008 bei Kindler, in Vorbereitung: rororo 23901) - gelesen haben, werden schneller in dieses neue, achte Abenteuer von Liza Marklunds Serienheldin hineinfinden. Denn Kalter Süden knüpft nahezu nahtlos da an, wo der Vorgänger aufhörte, ja gewinnt seine Spannung zu einem nicht unerheblichen Teil daraus, dass Gewissheiten, die nach der Lektüre von Lebenslänglich festzustehen schienen, nun plötzlich wieder fraglich werden, teils auch revidiert werden müssen.

Damit wollen wir aber niemanden entmutigen. Denn die schwedische Bestsellerautorin weiß natürlich ganz genau, wie sie auch Neulinge und all jene, die nicht sämtliche acht Bengtzon-Romane - mit Ullstein publiziert nach Hoffmann & Campe und Kindler nun bereits der dritte deutsche Verlag das Werk Marklunds - kennen, bei der Stange halten kann. Zahlreich sind auch in Kalter Süden die Rückverweise auf frühere Abenteuer. Und wenn es über diese Erinnerungsschiene schon nicht gelingen sollte, nachträglich Käufer für die ersten sieben Bände zu rekrutieren, werden wenigstens alle neugierigen Leser des vorliegenden Buches angemessen und nicht allzu aufdringlich ins Bild darüber gesetzt, was bisher geschah. Das ist übrigens auch deshalb nicht unwichtig, weil Liza Marklund mit ihrer unkonventionellen Heldin eine Figur erschaffen hat, die sich dem Leser sowohl privat wie auch beruflich öffnet, ihn teilnehmen lässt an allen Façetten ihres Lebens. Und da Kalter Süden unter anderem die Hoffnung aufkeimen lässt, Annika könnte mit ihrem geschiedenen Mann über kurz oder lang wieder zusammenkommen, ist es schon gut, zu wissen, warum und wann und mit welchen familiären Konsequenzen die Trennung vonstatten ging.

Nach einem knalligen Auftakt - in Marbella an der Costa del Sol, der Stadt der Reichen, die abgeschottet hinter festen Toren und hohen Mauern in ihren Luxusvierteln leben, werden gleich sieben Menschen in einer Nacht von einer raffinierten Killerin umgebracht - erscheint die Action diesmal bei Lisa Marklund etwas zurückgenommen. In den Vordergrund rückt stattdessen die Recherchearbeit der Reporterin Bengtzon, die natürlich gefragt ist, wenn es einen NHL-Star wie Sebastian Söderström erwischt. Dass der namhafte Eishockeyspieler allerdings nur eine Art Kollateralschaden des perfiden Verbrechens darstellt, bei dem Gas zum Einsatz kommt, wie es die OMON-Truppen zu der tragisch verlaufenden Befreiung der Geiseln verwendeten, die tschetschenische Terroristen im Oktober 2002 in einem Moskauer Theater gefangenhielten, stellt sich relativ schnell heraus. Stattdessen konzentrieren sich die Nachforschungen der Journalistin schon bald auf dessen Schwiegermutter und ein weiteres Kind, das wohl zum Zeitpunkt des Mordes nicht im Haus war. Im Zimmer der alten Frau jedenfalls befand sich der Safe, wegen dem fünf Familienmitglieder und zwei Kleinkriminelle, die von der Mörderin erst angeheuert wurden, sterben mussten. Und über das älteste der sieben Opfer führt auch der Weg zur Aufklärung weiterer Verbrechen, deren Genese bis in die Vergangenheit zurückreicht.

Liza Marklund hat sich mit Kalter Süden eine Menge vorgenommen. Es geht um Steuerflüchtlinge, Geldwäsche, Immobilienspekulation sowie Drogenproduktion und -handel zwischen den nordafrikanischen Ländern, Spanien und dem Rest Europas samt brutalen Verteilungskämpfen mit den lateinamerikanischen Konkurrenten auf dem weltweiten Markt. Historisch schlägt der Roman einen Bogen aus der Gegenwart bis in die unmittelbare Nachkriegszeit, wo auf einem abgelegenen schwedischen Bauernhof drei Mädchen in ihrer privaten Not zueinanderfinden und ihr weiteres Schicksal unausweichlich miteinander verknüpfen. Manchmal muss man als Leser etwas die Fäden suchen, ein paar Seiten zurückblättern, um sich wieder voll ins Bild zu setzen. Insgesamt hat man es aber mit einem solide recherchierten, atmosphärisch dichtem und größtenteils glaubwürdigem Fall zu tun, der geradlinig erzählt wird.

Natürlich wäre Liza Marklund nicht Liza Marklund, wenn sie uns nicht auch noch auf ein paar schöne Nebenschauplätze entführen würde. Es gibt Sex gleich mit zwei Männern, einen in der heimischen Presse hohe Wellen schlagenden Flirt mit einem Dritten, eine ausgeschlagene Aufstiegschance in ihrer Zeitung, die dazu führt, dass sie einen ganz und gar unerträglichen Chef bekommt, und eine herrlich komische Episode mit einer Fotografin, die Annika Bengtzon nach Spanien und Gibraltar begleitet, allerdings aufgrund ihrer hohen künstlerischen Ansprüche an die Fotografie kaum tauglich ist für diese Aufgabe. Am Ende feuert man dann wieder aus allen Rohren, als wäre der Autorin jetzt plötzlich eingefallen, dass ein Krimi kein richtiger Krimi ist, wenn es nicht ab und an mal richtig hoch hergeht. Aber diesen blutrünstigen, nicht unbedingt realitätsgesättigten Showdown wollen wir dann doch verzeihen, denn bis dahin haben wir eines der besten Marklund-Bücher der letzten Jahre gelesen.


© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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