Home
Kurse
Termine
Lektorat/ Korrektorat
Webdesign
Links
Rezensionen
Kontakt
Impressum
www.text-und-web.de
Weiterbildung/ Text-Management/ Design
Lilo Beil:
Gottes Mühlen
Saarbrücken: CONTE Verlag 2007,
181 Seiten
ISBN 978-3-936950-49-6
Krimi und Zeitroman: Zeitroman und Krimi




Die minderjährige Evi Sutterer ist tot. Eine Umsiedlerin hat sie im Wald gefunden - erwürgt und nur notdürftig mit Gestrüpp bedeckt. Schnell ist die Frau ins Dorf zurückgeeilt, um Alarm zu schlagen. Und es dauert nicht lange, bis man in Pfaffenbronn - einem kleinen Flecken nahe der Kur- und Bäderstadt Bergzabern, in dem jeder jeden kennt - zu wissen glaubt, wer der Mörder ist.

Die Ausgangslage in Lilo Beils erstem Krimi ähnelt ein bißchen der Konstellation in Friedrich Dürrenmatts Erzählung Das Versprechen. Hier wie da ein totes Kind und ein Mob, der nicht lange fragt, sondern den einzigen Außenseiter weit und breit in den Tod treibt. Im Text des Schweizers ist das ein armer Hausierer, dem die Polizei nicht das Gefühl zu geben vermag, in ihrer Obhut sicher zu sein.

Bei Lilo Beil richtet sich das Misstrauen der Menge auf den Knecht des reichsten Bauern im Ort. Der leistet sich eine ganze, gut sortierte Bibliothek und teilt sein Hobby gern mit der heranwachsenden Jugend des Ortes, liest ihr vor und interessiert sich dafür, was sie selbst schreibt. Außerdem ist er Elsässer. Verdächtig, verdächtig!

Wie sich schließlich herausstellt, ist der Suizid in der Gesindekammer freilich nur ein gut getarntes weiteres Verbrechen. Spuren sollen verwischt werden. Täter, deren Motive in der Vergangenheit liegen, wollen unerkannt bleiben. Den Knecht Otto Straub benutzen sie als Sündenbock. Außerdem hat der unbequeme Fragensteller mit der in den Unterarm eintätowierten Nummer und dem unbestechlichen Gedächtnis sowieso nicht in die verschworene Gemeinschaft der Dörfler gepasst.

Doch zum Glück gibt es ja noch den aus Ludwigshafen zur Unterstützung des Dorfgendarms abkommandierten Kommissar Gontard. Der "nicht übel aussehende Mittdreißiger" quartiert sich in Pfaffenbronn ein, sondiert die Lage, lässt sich vom Tod des ehemaligen KZ-Häftlings nur kurz täuschen und präsentiert bereits nach einer Woche die Schuldigen, die hier natürlich im Dunklen bleiben sollen - auch wenn der Rezensent ziemlich früh ahnte, warum die junge Evi sterben musste.

Gottes Mühlen ist kein Thriller, bei dem man vor Spannung das Atmen vergisst. Zu flach ist letztendlich der Spannungsbogen, zu viel Konstrukt wird sichtbar, zu wenig vertraut der "raunende Beschwörer des Imperfekts" darauf, die Charaktere und Situationen sich selbst entwickeln zu lassen. Aber Lilo Beil ist mit ihrem kleinen Roman durchaus etwas gelungen. Nämlich ein feinsinniges Zeitporträt und - in dieses hineinverwoben - die treffsichere Charakterisierung einer Landschaft und des in ihr heimischen Menschenschlags mit all seinen Eigenheiten und Phobien. Kapitel für Kapitel leuchtet die Erzählerin die dörfliche Welt Pfaffenbronns aus. Mit wenigen Strichen schafft sie wiedererkennbare Portraits von einem halben Dutzend Personen, die für die Ermittlungen ihres Kommissars Bedeutung besitzen: der Dorfgendarm Riedel und seine liebenswerte Frau, der protestantische Pfarrer Lothar Aichner, dessen Tochter mit der ermordeten Evi Sutterer befreundet war und ein dunkles Geheimnis bewahrt, die anderen Honoratioren des Orts um den Apotheker Fontaine und seine schöne, einem handfesten Flirt mit dem Kommissar aus der großen Stadt nicht abgeneigte Frau, die klatschenden Hausfrauen an den Ecken und die ihrem Namen alle Ehre machende Lehrerin Hartmüller, ein "unverheirateter Blaustrumpf" mit Nazivergangenheit. Sie alle bekommen Kontur, stoßen den Leser ab oder wachsen ihm ans Herz wie die ostpreußische Flüchtlingsfrau Erna Kowalski, die gleich zu Beginn das tote Mädchen findet, vielleicht die beste Szene des ganzen Buches.

Nicht zuletzt hat Lilo Beil aber auch einen Zeitroman geschrieben. Er spielt 12 Jahre nach dem Krieg - 1957. Mitten in den Wirtschaftswunderjahren haben sich die seelischen Wunden, die das Reich, das tausend Jahre halten sollte, hinterließ, noch lange nicht geschlossen. Ein Kommissar, der einst selbst töten musste, ermittelt in einem Tötungsverbrechen. Und er trifft bei seinen Ermittlungen auf Menschen, die allesamt geprägt scheinen von der Erinnerung an eine ungute Vergangenheit, in der sie wenig heldisch handelten. In jene Zeit, die viele gern aus ihrem Gedächtnis verdrängen möchten, reicht auch der Fall des toten Mädchens von Pfaffenbronn zurück. Denn zwölf Jahre können nicht vergessen machen, was einst geschah. So gut die Täter sich auch tarnen mögen.



© 2007 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


Lesen Sie bitte hier meine letzten Rezensionen

Zum Seitenanfang
Zur Startseite