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Kerstin Rech:
Schenselo
Saarbrücken: CONTE Verlag 2007, 186 Seiten
ISBN 978-3-936950-60-1
"Und warum nicht in Neuweiler?"




Templerschätze? Krude Morde? Wiedergänger? Geisteskranke? Und das alles in der südwestdeutschen Provinz, in einem Nest namens Neuweiler? Dan Brown in Germany, sozusagen? Kann das gutgehen? Hätte dem Rezensenten vor der Lektüre jemand diese Frage gestellt, hätte er nicht lange gezögert - seine Antwort wäre gewesen: Nein. Doch es hat ihn niemand gefragt und so waltete er denn seines Amtes, des Lesens. Mit zunehmendem Unmut, jedoch brav bis zur letzten Seite. Worauf er sich erschöpft in seinen Sessel zurückfallen ließ und nun wirklich resümierend ausrief: NEIN! Das tönt nach Donnerhall, aber eigentlich war es mehr ein Mittelding aus gequältem Seufzer und kombiniertem Dank- wie Stoßgebet - beides aus tiefster Brust emporsteigend.

Wird das ein Verriss? Ich schätze, ja. Denn alle Plausibilität, die der Roman der Stuttgarter Autorin am Anfang noch hat, geht nach und nach verloren. Liest es sich zunächst gar nicht so schlecht, wie vor den Augen von zwei betrunkenen Landstreichern ein Auto von der Speyrer Rheinbrücke ins Wasser stürzt, kann man sich noch vorstellen, dass die Seelennöte des kleinen Emil Kruge, den man kurz darauf kennenlernt, einen tatsächlich interessanten Thrill in Gang bringen könnten und die inneren Spannungen der Familie Schock ausreichend für Psychotisches jeglicher Couleur wären, nimmt das Buch nur allzubald einen Verlauf, dem man nur noch mit ungläubigem Staunen zu folgen vermag.

Eigentlich will Schenselo alles sein, was gerade populär ist, und ist doch von allem zu wenig. Ein Historienschinken, der in die Regionalgeschichte des frühen 14. Jahrhunderts zurückgreift und deren durchaus vorhandene Spannungen in eine simple Schatzgräbergeschichte münden lässt, die noch dazu tölpelhaft arrangiert ist. Ein Psychodrama à la Hitchcock mit einem dominanten Vater, der seine zwei erwachsenen Kinder terrorisiert und noch nach seinem Tod als finstere Nachtgestalt umgeht. Ein bisschen Thomas Harris hier - der Mörder kreuzigt seine Opfer und verteilt geheimnisvolle Symbole, mit Blut gemalt, über Wände und Fußböden von deren Wohnungen -, ein wenig Stephen King dort. Eine Sekretärin beißt sich die unvorsichtige Zunge ab. Pornographie kommt in Gestalt eines Fotos ins Spiel, doch wenn die Hand einer nassforschen Polygamistin mit "knackigem Hintern" den Reißverschluss der Kommissarshose nach unten zieht, beendet der das erotische Getändel, noch bevor es ausarten kann.

Ach ja, der Kommissar. Hoppe heißt er. Manchmal weiß er mehr als der Leser, manchmal weniger. Natürlich hat er - Bottinisierung des deutschen Krimis hat das neulich jemand genannt - private Probleme, die in die anliegenden Ermittlungen hineinreichen. Und es bleibt ihm auch nicht erspart, sich in die Falsche zu verlieben. Doch Individualität und Unverwechselbarkeit besitzt er dennoch nicht. Am Ende wirft er gar die kriminalistische Flinte ins Korn, respektive seine Dienstwaffe (!) in den Rhein, und schließt sich den beiden sympathietragenden Landstreichern vom Anfang an. Aber da wundert den Leser schon längst nichts mehr.

Im Übrigen entspricht dem allgemeinen Niveau des Romans sein Lektorat. Auch nach der Reform der Reform der Reform existieren - zumindest rudimentär - Regeln. Zum Beispiel in der Kommasetzung. Und was soll man von einem Satz halten, der wie folgt beginnt: "Der Farbe des Himmels hatte schon von schwarz zu dunkelblau gewechselt ..." (S. 172) Wer zählt die Fehler, nennt die Paragrafen?

Damit ein letzter Blick zum Rezensenten. Dessen Randglossen in Schenselo bestanden nach Lektüreschluss hauptsächlich aus Fragezeichen. Bis auf die Seite 176. Da findet sich - ganz unten - auch die dicke Unterstreichung eines Satzes, den er wohl auf sich bezog: "Am liebsten hätte er jetzt aufgeheult wie ein Wolf."



© 2007 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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