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Die aktuelle Rezension
(Februar 2006)

John Updike:
Landleben
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2006, 414 Seiten
ISBN 3-498-06883-0
Play it again, John!




Ehrlich gesagt, nahm meine Updike-Begeisterung im Laufe des letzten Jahrzehnts beständig ab. Der Wälzer Gott und die Wilmots (dt. 1998) gab ihr dann endgültig den Rest. Nach seiner Lektüre wechselte ich die Fronten und las fortan nur noch den anderen großen nordamerikanischen Romancier und Dauer-Nobelpreisanwärter, Philip Roth. Den hatte ich zur Zeit der Rabbit-Romane sträflich vernachlässigt. Nun ließ ich ihn Buch für Buch aufholen und entwickelte dabei beiden Autoren gegenüber ein relativ gutes Gewissen.

Warum ich nun mit Landleben zu Updike zurückgekehrt bin, vermag ich rational kaum zu begründen. Kann sein, dass mich der letzte Roth - Verschwörung gegen Amerika - mehr enttäuschte, als ich mir selbst gegenüber zuzugeben bereit war. Vielleicht hat mich auch nur interessiert, ob Updike im Alter - immerhin wird er im März 74 Jahre alt - derselbe geblieben ist, der er damals war, als er noch zur intellektuellen Bückware in meiner DDR-Buchhandlung zählte. Sollte diese Frage tatsächlich meine Lektüre ausgelöst haben, so wäre die Antwort jedenfalls schnell gegeben. Sie lautete schlicht: Nein, Updike ist nicht derselbe geblieben, er ist noch besser geworden.

Dabei erzählt Landleben alles andere als eine neue Geschichte. Wie alle bedeutenden Schriftsteller hat auch John Updike ein Generalthema, welches er variierend umspielt, mal ernst und getragen, mal heiter und keck. Und eigentlich weiß jeder, der lesen kann und die Bücher dieses Autors kennt, worauf er sich einlässt mit jedem neuen Text. Ja, ich vermute sogar, dass die meisten, die zu Updike greifen, dies tun, weil sie verlässlich ahnen, was da auf sie zukommt, weil sie abonniert bleiben möchten auf die Art von sexueller Libertinage, die er - beginnend mit den berühmten Ehepaaren (1968) - immer wieder beschrieben hat und die, bei aller Deutlichkeit des Worts, doch freigesprochen ist von jeglichem pornographischen Ruch. Wer Updike liest, bekommt Deftiges geliefert, bleibt dabei aber im sicheren Rahmen der Schönen Künste. Wenn das nicht entlastet!

Jedoch sind Updikes Akte, so kunstvoll sie sich manchmal anlassen, nicht mehr als Illuminationen, Girlanden, die seine Figuren sich ins Leben hängen, weil es ohne sie gar zu eintönig zuginge, ob man nun mit Autos handelt oder mit Software. Und nie war das so deutlich zu spüren, wie in seinem neuesten Buch. Das genau macht dessen überragende Qualität aus, dass von einer Ebene der Reflexion her erzählt wird, die das Sexuell-Eskapistische nicht ausspart, es in seiner Bedeutung, die es für die Figuren dieses Schriftstellers immer hatte, aber deutlich relativiert.

Landleben ist ein Alterswerk, sein Darbietungsgestus das Erinnern von einem das Erinnerte weit überragenden Standpunkt aus. Mit Owen Mackenzie, seiner Hauptfigur, begegnet dem Leser ein typischer Updike-Held. Als Angehöriger der weißen, protestantischen Mittelschicht des Ostküstenamerikas nach dem Zweiten Weltkrieg nutzt auch dieser Mann seine Aufstiegschancen und steht schließlich, gegen Ende des Jahrhunderts, wohlhabend und - nach einer ersten, gescheiterten Ehe zum zweiten Mal verheiratet - familiär gesichert, aber auch illusionslos da. Doch da wir ihm nur nahekommen aus der Distanz des sich den Lauf seiner Existenz noch einmal ins Gedächtnis rufenden alten Mannes, werden alle verjährten Übertreibungen wohltuend gemildert, in melancholisch-ironisches Licht getaucht und ihrer Schicksalhaftigkeit beraubt.

Dabei gelingen Updike unglaublich stimmige Porträts. Vor allem die Frauenfiguren, manchmal nur zart angedeutet oder mit Hilfe eines kurzen Dialogteils charakterisiert, wirken plastischer denn je in seinem Werk. Und die ihm begegnenden Frauen sind es letztlich auch, die den erotischen Werdegangs des Helden bestimmen, sich nehmen, was sie wollen, und den Geliebten verlassen, wenn ihnen das als geboten erscheint. Hier enthält das Buch kaum machistische Noten, sondern macht, erzählerisch vollkommen unaufdringlich, auf das sich gegenseitig Bedingende zwischen sexueller Befreiung und Frauenemanzipation aufmerksam.

Das Thema allerdings, das der Autor sich ganz allein für dieses Buch vorbehalten hat, ist jenes des Alter(n)s. Und er denkt nicht daran, irgendetwas daran zu beschönigen. So erfährt der Leser von schwindender Virilität, zunehmendem Desinteresse an den Dingen der Welt und dem Unbehagen, das aufkommt, wenn in alle Positionen, die man eben noch besetzt hielt, plötzlich Jüngere einrücken. Allerdings führt die zunehmende Einsicht in die Irreversibilität dieser Prozesse nicht zuletzt auch zu der Gelassenheit, die vonnöten ist, um den Blick zurückschweifen zu lassen auf ein exemplarisches Leben im Amerika des zwanzigsten Jahrhunderts.Und wenn es ganz schlimm kommt, dann hat Owen Mackenzie ja immer noch seine zweite Frau Julia, die allen anderen starken Frauen in diesem Buch in nichts nachsteht und weiß, was es braucht, die Fährnisse der gemeinsamen späten Jahre zu bestehen.

© 2006 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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