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Die aktuelle Rezension
(Dezember 2010)

John le Carré:
Verräter wie wir.

Berlin: Ullstein Verlag 2010,
414 Seiten
ISBN 978-3-550-08833-9


... alles andere aus der Krimiwelt
täglich bei:

" ... die Hundesöhne des perfiden Albion"




Als wohnte man schon der - mit Sicherheit nicht allzu lange auf sich warten lasssenden - Verfilmung bei, so plastisch hat John le Carré (Jahrgang 1931) die Eingangsszenen seines neuen Romans, Verräter wie wir, angelegt. Leichthändig und stilistisch brillant, souverän zwischen den unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Geschehen wechselnd und mit einem stupenden Sinn für obskure Details lässt er uns erleben, wie zwei zwar nicht ganz erfolglose, irgendwie dann aber doch wieder ziemlich durchschnittliche Zeitgenossen ohne jeden Arg mit der Welt der internationalen Finanzhaie, Mafiagrößen und Geheimdienste in Berührung kommen und dabei ihre Unschuld verlieren.

Dabei scheint es zunächst nur um Tennis zu gehen. Peregrine Makepiece, kurz Perry genannt und Universitätsdozent in einer leichten Lebenskrise, sowie Gail Perkins, ihres Zeichens aufstrebende Scheidungsanwältin und Freundin des unzufriedenen Anglisten, beide um die 30, wissen mit einem Schläger in der Hand etwas anzufangen. Und weil Perry beim Urlaub auf Antigua die Tennisfreaks vor Ort ziemlich alt aussehen lässt, gerät er schon bald ins Visier eines von bewaffneten Leibwächtern und einem grotesken Familienclan umgebenen Russen. Perrys Fairness, als man schließlich ein Match gegeneinander bestreitet, regt den beleibten Patriarchen einerseits auf, andererseits ermuntert sie jenen sich Dima nennenden Neureichen wohl auch dazu, sich dem Briten gegenüber zu öffnen und ihn um Hilfe für sich und die Seinen anzugehen.

Urplötzlich stecken damit zwei harmlose junge Menschen in einer Geschichte, die Ihresgleichen überfordert. Denn Dima wäscht Milliarden für die russische Mafia, fühlt sich aber aus den eigenen Reihen zunehmend bedroht und sucht über Gail und Perry den Kontakt zum britischen Geheimdienst. Und sollte man ihm und seinen Angehörigen Schutz in der Gegenwart und eine neue Existenz in naher Zukunft zusichern, ist er bereit, Geheimnisse preiszugeben, die Regierungen in aller Welt in Schwierigkeiten bringen könnten.

Verräter wie wir bietet - außer einer packenden Beschreibung des French-Open-Finales von 2009, in dem sich Roger Federer gegen den Schweden Robin Söderling in drei Sätzen durchsetzte - wenig Action. Umso intensiver schaut der Roman ins Innere seiner Figuren und hinter die Kulissen einer Welt, deren Akteure sich nicht mehr so schlicht in Gute und Böse scheiden lassen, wie seine beiden Helden wider Willen das gerne hätten. All die Geheimdienstler, mit denen sie es zu tun bekommen, nachdem sie Dimas Ansinnen an die entsprechenden Stellen weitergeleitet haben, vertreten nämlich durchaus eigene Interessen und die Versprechen, die sie geben, sind sie bereit, schon im nächsten Augenblick wieder zu brechen.

Dass das Ganze nicht gut ausgehen kann, ahnt man bald. Denn Gewährsleute von Dimas Nachfolgern, die für den durch die Hölle der sowjetischen Lager gegangenen "Wor" mit seinem Glauben an Gesetz und Ehre einer verschworenen "Bruderschaft" nur noch Verachtung übrig haben und inzwischen offen mit der Staatsmacht paktieren, sitzen auch im Westen an entscheidenden Kommandostellen von Politik und Wirtschaft. Und so unterliegen am Ende jene, die noch Ideale jenseits eines auf rücksichtslose Profitmaximierung gerichteten Interesses haben, für das Humanität und Demokratie nur noch leere Worthülsen sind, mit denen man sein unheiliges Tun öffentlichkeitswirksam kaschiert.

Milton (John Milton: Das verlorene Paradies, 1667) und Doolittle (wohl eine Anspielung auf das arme Blumenmädchen Eliza Doolittle aus George Bernard Shaws Stück Pygmalion, 1913) sind die Decknamen, die der Secret Service Perry Makepiece und Gail Perkins verpasst, wenn die sich aus Blauäugigkeit für Szenarien zur Verfügung stellen, in denen sie keine Chance haben, nach Maßgabe eigener Gefühle zu agieren. Und von verlorenen Paradiesen und hohen Erwartungen, die letzten Endes immer wieder enttäuscht werden, handelt auch le Carrés Roman - ein leicht bitterer, zutiefst ironischer Nachruf auf eine Zeit, in der man noch wusste, auf welcher Seite der Grenze man sich befand und wer einem gegenüberstand.


© 2010 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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