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Die aktuelle Rezension
(März 2010)

Jo Nesbø:
Leopard
Berlin: Ullstein Verlag 2010,
699 Seiten
ISBN 978-3-550-08774-5
Hochgeschwindigkeitsthriller




Mit Leopard, dem achten Roman um seinen eigenwilligen Kommissar Harry Hole. knüpft Norwegens Erfolgsautor Jo unmittelbar an dessen Vorgänger, Schneemann (Ullstein Verlag 2008), an. Darin hatte der ausgewiesene Serienmordexperte Hole bei der Jagd nach einem gefährlichen Psychopathen nicht nur das eigene Leben riskiert, sondern auch jenes der ihm damals am nächsten stehenden Menschen aufs Spiel gesetzt. Nun hockt er bei Glasnudeln im fernen Hongkong, leckt seine Wunden, versteckt sich vor der örtlichen Mafia, die ihm, weil er Geld schuldig geblieben ist, den Pass weggenommen hat, und sucht mittels Alkohol- und Drogenexzessen das Vergessen. Klar, dass er wenig Lust hat, zurückzukehren, als eine neue, äußerst brutale Mordserie sein Heimatland erschüttert. Dennoch gelingt es der jungen Kriminalistin Kaja Solness, den alten Fuchs umzustimmen und nach Oslo zurückzulocken. Hole ahnt freilich nicht, wie tief der "Brunnen der Vergangenheit" ist, in den er in den nächsten Monaten hinabtauchen muss.

Doch zunächst scheint er, wenn er da wie aus heiterem Himmel wieder auftaucht an seiner alten Wirkungsstätte, den einen gelegen, anderen aber ganz und gar ungelegen zu kommen. Denn er gerät mitten hinein in einen Kompetenzstreit zwischen dem örtlichen Polizeikommando und dem landesweit operierenden Kriminalamt. Und bald kämpft Harry nicht mehr nur allein um die Wiederherstellung des eigenen Rufes, sondern auch um die Autonomie seines ehemaligen Teams. Wobei die Konkurrenten um den intriganten Oberkommissar Bellman, mit denen er sich beständig auseinanderzusetzen hat, nicht gerade wählerisch sind in Bezug auf die Mittel, die sie einsetzen.

Nahezu mühelos schafft es Nesbø mit Leopard - der Originaltitel, Panzerherz, will schlüssiger erscheinen, wenn man das Buch am Ende aus der Hand gelegt hat -, seine Leser über sage und schreibe siebenhundert Seiten bei der Stange zu halten. Eine komplizierte, weit in die Vergangenheit aller beteiligten Akteure zurückreichende Geschichte, Verdächtige zuhauf und ein relativ früher Verdacht des Ermittlers, der sich dennoch nicht zu bestätigen scheint, exotische Schauplätze zwischen Hongkong und Ruanda, Bürgerkriegswirren auf dem Schwarzen Kontinent und Lawinenabgänge im norwegischen Bergland sowie die sich andeutende Liebesgeschichte zwischen Hole und der ihn bewundernden Kaja - da bleibt kaum Zeit, erzählerisch einmal Luft zu holen. Und selbst der "Schneemann" bekommt noch einmal - als Hommage an Hannibal Lector sozusagen - Gelegenheit, beratend in den aktuellen Fall einzugreifen.

Das ausgeklügelte, perverse Tötungsinstrument, dessen sich der Täter bedient, den so genannten Leopoldsapfel, einen aus Zentralafrika eingeführten Foltermechanismus, mit dem die belgischen Kolonialherren einst widerständische Häuptlinge zur Raison brachten, gibt es übrigens tatsächlich. Und vor dem spektakulären Showdown direkt am Krater eines aktiven Vulkans muss auch Harry Hole die saure Frucht noch einmal in den Mund nehmen, aus der, wenn man an einem aus dem billardkugelgroßen Metallkörper herausragenden Draht zieht, mehr als 20 je sieben Zentimeter lange spitze Nadeln herausschießen und für einen grausamen Tod sorgen.

Am Ende aber ist Harry wieder in Hongkong. Aus der Geschichte mit Kaja Solness ist nichts geworden - er selbst hat sie beendet. Doch mit wichtigen Teilen seiner Vergangenheit ist er auf dem besten Weg, sich zu versöhnen - er hat den Vater würdevoll unter die Erde gebracht und Kontakt aufgenommen zu seiner Ex-Freundin Rakel und deren Sohn Oleg. Ob es mit diesen beiden, die nach wie vor die wichtigsten Menschen für ihn sind, je wieder funktionieren kann - der nächste Nesbø wird's vielleicht beantworten. Auch ein Grund, sich auf ihn zu freuen. Aber nach Leopard liegt die Latte wirklich nicht niedrig. Man darf gespannt sein, was alles passieren muss, um Harry ein weiteres Mal von seinen Pferdewetten wegzulocken.


© 2010 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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