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Die aktuelle Rezension
(Januar 2009)

J.M.Guelbenzu:
Stört den Mörder nicht.

München: C. Bertelsmann Verlag
2008, 301 Seiten
ISBN 978-3-570-01040-2
"Ein Verbrechen, das von außen kommt ..."




Endlich darf man wieder einmal hinschreiben, was sich sonst in einer Krimirezension von ganz allein verbietet: Carlos Sastre heißt der Mörder in José Maria Guelbenzus Thrillererstling. Das wollen Sie gar nicht wissen, weil, wenn Ihnen vorher schon verraten wird, was gewöhnlich erst am Ende herauskommt, warum sollen Sie sich dann noch die Mühe des Lesens machen, geschweige denn Geld in Ihre Buchhandlung tragen, um ein Nerven zerfetzendes Buch zu erwerben? Tja, tut mir Leid. Aber in diesem speziellen Fall ist nichts zu machen. Denn der namentlich bereits im zweiten Abschnitt des ersten Kapitels Benannte schneidet auf Seite Neun seinem Opfer die Kehle durch und sieht daraufhin ohne große Gefühlsaufwallungen zu, wie der dermaßen im Schlaf attackierte Oberrichter Medina das Zeitliche segnet.

Von da an beherrschen den Roman zwei Fragen. Die eine heißt Warum? und wird ganz am Ende beantwortet. Die andere will wissen, wie lange der gut aussehende Mann, wohlgelitten in der kleinen Urlauberkolonie von Las Lomas an der nordspanischen Atlantikküste, es wohl schafft, unentdeckt zu bleiben. Aus dieser bezieht das Buch seine Spannung.

Die ist nicht unbeträchtlich, hat Carlos Sastre seine Tat doch ganz genau geplant. Und selbstredend darf er davon ausgehen, dass niemand in dem kleinen Örtchen ihm die Sache zutraut. Doch weil die Zeit nicht nur Wunden heilt, sondern auch Verborgenes an den Tag bringt, spielt Guelbenzus cooler Killer mit einem immer größer werdenden Feuer.

Das wird geschürt von Mariana de Marco, seit Kurzem am Amtsgericht in San Pedro del Mar tätig und verantwortlich für die Aufklärung des Verbrechens. Ganz leise und unspektakulär kreist sie den Täter ein. Erst hat sie nur eine Vermutung, dann wird daraus eine Theorie und erste Verdächtige kristallisieren sich heraus. Mariana, eine noch junge Frau, die als Richterin vor Ort auf der Karriereleiter noch lange nicht die oberste Stufe erreicht hat, übereilt nichts und kommt Carlos Sastre dennoch immer näher.

Indem J.M.Guelbenzu aus seinen Figuren heraus erzählt, was zu häufigen Perspektivwechseln führt und die Dinge mal aus dem einen, mal aus dem anderen Blickwinkel darstellt, holt er seinen Leser auf äußerst geschickte Weise hinein in die Welt seiner Fiktion. Ganz dicht dabei ist man, wenn sich die Freunde des Mörders treffen, um selbst Ermittlungen in Gang zu bringen, weil sie den Ruf ihrer elitären Urlauberkolonie in Gefahr sehen. Und man bangt mit Carmen Valle, der Frau, mit der seine wohlmeinende Umgebung den notorischen Junggesellen und Klassikfan Sastre zu verkuppeln gedenkt und die der langsam nervös werdende Carlos dazu benutzen will, sich möglichst schnell abzusetzen. Wird sie das nächstes Opfer sein?

Doch es trifft eine andere, als Sastre schließlich keinen Ausweg mehr sieht, als erneut zu töten. Und bevor er es ein drittes Mal tun muss, bricht er zusammen unter der Last seiner Schuld - ein Täter, mit dem man als Leser durchaus mitfühlen kann, wenn sich am Ende das in die unglückliche Kindheit Sastres zurückweisende Motiv der Tat erschließt.

José Maria Guelbenzu, in Spanien kein Unbekannter und unter die angesehensten Schriftsteller und Intellektuellen des Landes zählend, ist mit Stört den Mörder nicht ein vielschichtiger Thrillererstling gelungen. Gerade dass er die Karten von Beginn an aufdeckt, macht ihn hochinteressant. Teils Psychogramm eines Mannes, den ein winziger Zufall aus seinem normalen Leben herauswirft und zum Mörder werden lässt, dem bald nichts übrig bleibt, als immer weiter zu morden, darf man das Buch auch lesen als ironisch - hintersinniges Porträt der neureichen Milieus in der spanischen Gesellschaft von heute, die sich plötzlich dem Schrecken und der Angst als in ihr eigenes Leben eingreifenden Realitäten konfrontiert sehen. Hier hört der Thriller auf und fängt die Gesellschaftsanalyse an.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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