Wurden Sie schon einmal von Ihrem Chef gebeten, eine Leiche mit zu entsorgen, die auf dessen Konto ging? Nein? Na, da haben Sie aber Glück gehabt! Mehr Glück zumindest als David Loogan, Hauptgestalt in Harry Dolans Thrillerdebüt Böse Dinge geschehen. Der hat nämlich wirklich, ausgerüstet mit dem für einen mitternächtlichen Grabaushub notwendigen Werkzeug, im Hause des Verlegers Tom Kristoll anzutreten, um heimlich einen Toten abzutransportieren, der eindeutig nicht an Altersschwäche gestorben ist.
Nun ist Harry kein Bestatter, sondern Lektor. Aber weil er mit dem erfolgreichen Krimimagazin-Herausgeber Kristoll befreundet ist - und gelegentlich mit dessen Frau Laura schläft - fühlt er sich irgendwie dann doch verpflichtet, dem Mann aus der Bredouille zu helfen. Also fährt er noch schnell bei einem Baumarkt vorbei - denn wer hat schon kurzstielige Spaten mit spitzem Blatt, die sich für schnelles Graben auf beengtem Raum eignen, immer gleich zur Hand, wenn man sie braucht - und macht sich anschließend an das schmutzige Geschäft.
Kein schlechter Auftakt für einen Roman, den Dolan in seiner Heimatstadt Ann Arbor im Bundesstaat Michigan spielen lässt und der nach dem nächtlichen Freundesdienst erst so richtig in die Gänge kommt. Denn der Dieb, den Kristoll mit einer Flasche Glenfiddich erschlagen haben will, ist, wie sich bald herausstellt, gar kein Dieb gewesen, der Verleger nicht sein Mörder und - Vorsicht, das Terrain wird etwas unübersichtlich! - der herbeigeeilte David Loogan mit dem Spaten auch nicht David Loogan. Im Grunde ist wirklich nur der Spaten echt, aber um den kümmert sich niemand mehr, sobald mit seiner Hilfe das Grab wieder zugeschaufelt wurde.
Um Tom Kristoll hingegen kümmert man sich schon - kurze Zeit darauf liegt er mit zerschmettertem Körper auf dem Fußweg vor dem Bürogebäude, in dem seine Firma residiert. Hat er sich selbst aus dem fünften Stock in den Tod gestürzt oder wurde da ein wenig nachgeholfen? Der falsche Mister Loogan jedenfalls gerät spätestens jetzt ins Visier der Polizei.
Böse Dinge geschehen lässt es damit allerdings bei Weitem nicht genug sein. Geschickt positioniert es eine überschaubare Anzahl von Menschen mit durchaus vorstellbaren Mordmotiven rund um die von Kristoll herausgegebene Zeitschrift "Gray Streets". Und weil das erfolgreiche Journal mit raffiniert erdachten Kriminalgeschichten dealt, haben alle diese Figuren etwas mit dem Schreiben zu tun. Drei erfolgreiche Kriminalschriftsteller, Debütanten mit Knasterfahrung, Verleger und Lektoren, verkannte Genies und Ruhm genießende Bluffer, studentisches Hilfspersonal aus Kosteneinsparungsgründen - alles in allem weiß Gott nicht das Personal, welches seit Raymond Chandlers und Dashiell Hammetts Zeiten für das Hartgekochte zuständig ist.
Und in der Tat: Harry Dolans Erstling hat etwas sympathisch Altmodisches an sich. Das wird nicht jeder mögen und vielleicht hat der Autor aus Freude über die Entwicklung seines Plots auch die eine oder andere Wendung zu viel eingebaut. Aber die Figuren sind Klasse - zumindest so lange, bis sie tot sind, und das sind am Ende nicht wenige -, das Milieu gut erdacht und das Wechselspiel zwischen dem geheimnisvollen David Logan und der ermittelnden Polizistin Elisabeth Waishkey so knisternd und vielversprechend, dass man sich schon richtig auf die Fortsetzung freut. Bis die kommt, darf man sich aber gern ein zweites Mal in die Lektüre von Böse Dinge geschehen vertiefen. Vielleicht entdeckt man dabei sogar ein Puzzleteil, welches einem beim ersten Mal entging, weil man sich einfach viel zu schnell in den Sog dieser raffiniert ersonnenen Geschichte hineinreißen ließ.