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Die aktuelle Rezension
(Dezember 2007)

Fred Vargas:
Die schwarzen Wasser der Seine
Berlin: Aufbau Verlagsgruppe GmbH 2007,
147 Seiten
ISBN 978-3-7466-2350-4
Ein Pausenfüller aus dem Universum der Fred Vargas




Mit ihren bis dato vorliegenden neun Kriminalromanen ist Fred (eigentlich Frédérique) Vargas zu einer der wichtigsten Autorinnen dieses Genres in Europa geworden. Fast unerträglich schwer für ihre treue Leserschar ist inzwischen das Warten auf Neuigkeiten aus dem Universum der Französin geworden. Nur zu begrüßen deshalb das Sammeln von Verstreutem zwischen zwei Buchdeckeln, wie es der Band Die schwarzen Wasser der Seine praktiziert. Alles in allem ist diese Petitesse - trotz eines gewaltigen Zeilenabstands bringt man es auf kaum einhundertfünfzig Seiten - aber nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Den ungeheuren Durst nach neuen Abenteuern der Kommissare Adamsberg und Danglard zu löschen sind die drei Erzählungen leider nicht in der Lage.

Allein sie trösten über eine ereignislose Zeit hinweg, wie die Tatsache, dass sich von einem Tag zum andern ein Clochard vor dem Kommissariat des 5. Arrondissements von Paris heimisch zu fühlen scheint, den monotonen Sommer der Kriminalisten verkürzt. Schnell konstruiert der intuitiv arbeitende Jean-Baptiste Adamsberg eine Verbindung zwischen dem sich Vasco da Gama nennenden Wohnsitzlosen und anonymen Briefen, die ihn erreichen, seitdem dieser die Bank vor ihrem Dienstgebäude zu seinem Lieblingsaufenthaltsort gemacht hat. Aber liegt er damit richtig? Oder handelt es sich in Wahrheit nur um zwei Zufälle, deren Hintergründe sich auch dann nicht erschließen, wenn man sie ineins denkt?

In diesem wie in den anderen beiden Fällen, die das Bändchen präsentiert, agiert der kauzige Kommissar mit den ungebügelten Jacketts und der Manie, auf langen Spaziergängen die Rätsel, welche das Leben an ihn heranträgt, zu lösen, wie der Leser es von ihm nicht anders erwartet. Unkonventionell im Denken und Tun, das Unmögliche miteinander kombinierend und sich von fremdem Einspruch nicht im Geringsten irritieren lassend, bringt er auf seine Weise zu Ende, woran andere, geradlinig denkende Zeitgenossen sich nur die Zähne ausbeißen. Dabei ist er denen, die ihn vor Rätsel stellen wie jener Penner, der mit Olivenkernen nach dem Sockel der nächstgelegenen Straßenlaterne spuckt und sich fünf Punkte gutschreibt, so er trifft, oft ähnlicher als jenen, mit denen das Schicksal ihn in ein Team zwingt.

Vargas drei Erzählungen, deren Entstehung schon ein halbes Dutzend Jahre zurückliegt, sind vollkommen auf Adamsbergs Ermittlertätigkeit zugeschnitten. Sie nehmen sich weder die Zeit, das Gegenbild Danglards, wie die großen Romane es tun, gebührend herauszustreichen, den Segnungen der Intuition die Bravourstücke des Intellekts zuzugesellen, noch bringen sie die Privatsphäre des Kommissars ins Spiel, von der der Kenner der Romane eine ganze Menge weiß. Dazu fehlt auf einer Erzählstrecke von 40, 50 Seiten schlicht die Zeit. Dennoch fühlt man sich auf vertrautem Leseterrain, wenn man den herrlich kruden Gesprächen des Kommissars mit seinen Verdächtigen und Zeugen folgt, ihren feinen Humor und die dahinter sich verbergende Menschlichkeit genießt und immer wieder darüber staunt, welche poetischen Funken die Autorin aus genau beobachteter Wirklichkeit zu schlagen versteht.

Hinter einem Feuerwerk an Einfällen geraten die verhandelten Fälle selbst manchmal fast in Vergessensgefahr. Ihrer schnellen Lösung geht immer eine unerwartete Wendung voraus, die das, was jeder sehen kann, als schlichten Schein entlarvt. Erst wer hinter die Oberflächen vorzustoßen vermag, entdeckt den Kern der Dinge. Und muss dann plötzlich zugeben, dass die Wahrheit für den Sehenden von Anfang an offen zutage lag.

Die ganze Sympathie der Fred Vargas gilt auch in diesem kleinen Büchlein der Stadt Paris, der Seine, die die französische Metropole in zwei Hälften zerschneidet, und den Sonderlingen, die sich hier herumtreiben. Als Belohnung für sein Mittun bei der Aufklärung eines Verbrechens bekommt einer von diesen sympathischen Vagabunden den Tipp von Adamsberg, fortan alle diejenigen, die ihm etwas abkaufen - der Mann handelt mit verschimmelten Schwämmen -, mit Farbe ihren Namen an die Mauer eines Gebäudes schreiben zu lassen. "So sind sie in Gesellschaft, das verschafft ihnen ein bisschen Leben." Was für eine Idee! Und natürlich hat Jean-Baptiste Adamsberg beim Innenministerium auch für die Legalisierung der Aktion gesorgt - weil er gespannt ist auf die vielen Geschichten, die sich hier mit der Zeit einschreiben werden.



© 2007 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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