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Die aktuelle Rezension
(Juni 2009)

Elisabeth Herrmann:
Die letzte Instanz
Berlin: List Verlag 2009,
407 Seiten
ISBN 978-3-471-35005-8
Salome, ick hör' dir trapsen!




Wenn Justitia entschieden hat, wenn die Würfel so oder so gefallen sind vor dem Berliner Landgericht, wenn die einen triumphieren und den anderen das Lachen vergangen ist - dann wird es Zeit für die "letzte Instanz" - www.zurletzteninstanz de - in der um die Ecke gelegenen Waisenstraße. Da sitzt man dann bei "Anwaltsfrühstück" oder "Gerichtsschreiber-Sülze" beisammen, lässt sich eine "Beleidigungsklage" schmecken oder die knusprige "Einstweilige Verfügung", spricht dem "Kreuzverhör" zu oder genießt die "Urteilsbegründung" mit jungem Wirsing und geht den soeben gerichtlich beendeten Fall noch einmal durch. Vertreter der Anklage und der Verteidigung treffen sich nach getaner Arbeit in Berlins ältestem Restaurant, Angeklagte und Freigesprochene teilen sich einen Raum, amerikanische Präsidenten, deutsche Bundeskanzler und sogar Napoleon Bonaparte waren schon hier - und warum sollte nicht just an diesem geschichtsträchtigen Ort eine Verschwörung beginnen, wie sie Elisabeth Herrmann in ihrem dritten Roman um das Anwaltsgespann Joachim Vernau und Marie-Luise Hoffmann in Szene setzt.

Die haben beide schon einmal bessere Zeiten gesehen. Nun trägt man seinen Talar in den Waschsalon um die Ecke, verteidigt obdachlose Ganoven, die alkoholisiert in Billigläden randaliert haben, und fragt sich, wohin mit dem gemeinsamen Büro, wenn der Vermieter saniert und die Mieten in jene Bereiche getrieben haben wird, die sich das ständig klamme Pärchen schon lange nicht mehr leisten kann. Doch bis dahin ist ja noch ein wenig Zeit und überhaupt scheint es so, als ob dem einstigen Promi-Anwalt mit 1-A-Verbindungen nach ganz oben das Glück zumindest andeutungsweise wieder lächeln würde. Da schießt eine durchgedrehte Rentnerin plötzlich auf seinen einzigen Mandanten, bricht daraufhin am Tatort zusammen und über den gebrechlichen Körper der alten Dame hinweg schaut Joachim Vernau plötzlich in die Augen einer Frau, die sein Leben in den nächsten Monaten gewaltig durcheinanderbringen wird: Salome Noack, die heiß-kalte Staatsanwältin.

Gewohnt souverän arrangiert Elisabeth Herrmann in ihrem neuen Roman mehr als einen spannenden Fall von Selbstjustiz. Es geht um Recht und Gerechtigkeit in dieser Republik, um die immer größer werdenden Unterschiede zwischen ein paar wenigen, die sich alles leisten können, und der wachsenden Zahl derer, die kaum mehr wissen, woher sie das Essen für den nächsten Tag nehmen sollen. Es geht um Filz und Kungelei, Bausünden und Kriminelle, die sich als Biedermänner tarnen, und immer wieder um die jüngste deutsche Vergangenheit, die skrupellosen Geschäftemachern die einmalige Chance bot, beherzt zuzugreifen und sich auf Kosten vieler ein exklusives Stück Nachwendedeutschland unter den Nagel zu reißen.

Die Frau mit dem bedeutungsschweren biblischen Vornamen gehört zu jenen, die die Gunst der historischen Stunde nutzten, um ihren Aufstieg in Szene zu setzen, nur auf sich bedacht und noch lange nicht am Ziel all ihrer Wünsche. Nun ist sie anscheinend bereit, Vernau wieder den Weg dahin zu ebnen, wo die lukrativen Fälle an Land gezogen werden. Aber ist es wirklich Liebe oder nur Kalkül? Und was hat Salome Noack mit der Mordserie zu tun, die scheinbar da ihren Ausgangspunkt genommen hat, wo sie ihre Arbeit als Staatsanwältin verrichtete: vor den Schranken des Gerichts, das in etlichen Fällen so milde Urteile fällte, dass eine Gruppe Gleichgesinnter sich ein raffiniertes System ausdachte, um der Gerechtigkeit, wie sie sie verstand, nachträglich zum Sieg zu verhelfen.

Die letzte Instanz verbirgt ihre ernsthaften Themen, die allesamt Themen unserer Zeit sind, hinter einem spannenden Plot, einem mehr als bunten Figurenensemble und einer locker-lässigen Sprache, die nie manieriert klingt. Elisabeth Herrmann erweist sich erneut als Szenekennerin, ihre Schauplätze und das sie bevölkernde Personal wirken authentisch und wenn sie übertreibt, dann tut sie das mit Charme und in der Absicht, kenntlich zu machen, was sich gewöhnlich gut verbirgt. Nur gegen Ende, wenn wir plötzlich vor Sardinien landen, ist mir das eine Spur zu überdreht. Immerhin aber besitzt Joachim Vernau noch seinen Kopf (Salome!), wenn das Buch die letzte Seite erreicht. Und auch mit seiner guten alten linksanarchistischen Partnerin Marie-Luise hat er sich wieder versöhnt, nachdem die Affäre mit der großkopfeten Staatsanwältin den Kanzleisegen für eine Weile schiefhängen ließ. Sollten die zwei nun gar im nächsten Teil ...? Frau Herrmann, bitte schreiben Sie schneller!



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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