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Die aktuelle Rezension
(Juni 2009)

Edith Kneifl:
Glücklich, wer vergisst.

Innsbruck-Wien: Haymon Verlag 2009, 256 Seiten
ISBN 978-3-85218-585-9
Morde passieren ihr einfach




Bereits zum dritten Mal ermittelt Edith Kneifls Joe (Josefa) Bellini in Glücklich, wer vergisst. Nach Auf den ersten Blick (2001) und Kinder der Medusa (2004) führt ihr neuer Fall sie an den oberösterreichischen Attersee. Hier, auf Schloss Welschenbach, hat die Mittvierzigerin in ihrer Kindheit und frühen Jugend eine ganze Reihe von Sommern gemeinsam mit ihren Eltern verbracht. Im Jahre 1979 endete diese Idylle abrupt. Damals beobachtete Joe, wie im Bootshaus der Gastgeber die minderjährige Tochter des Hauses von einem älteren Mann vergewaltigt wurde. Zwar nahm das Mädchen ihr damals den Schwur ab, nichts von dem Gesehenen zu verraten. Ihre Eltern bekamen aber trotzdem Wind von der Sache und suchten für die Familie daraufhin eine ungefährlichere Sommerfrische aus.

Nun, Jahrzehnte später, kehrt Josefa auf die Bitte ihres Vaters an den Ort zurück, mit dem sie viele Erinnerungen an Pubertät, erste Küsse und sexuelle Verwirrungen verbindet. Inzwischen erfolgreiche Psychoanalytikerin in Wien - die Vorgängerbände der Trilogie haben den Leser mit zurückliegenden Karrierestationen bekannt gemacht und ihm auch Jan Serner, ihren Freund und hauptberuflichen Ermittler bei der Wiener Kripo vorgestellt, der selbstredend diesmal wieder mit von der Partie ist -, hat sie sich durch ihre Beteiligung an der Lösung von zwei spektakulären Mordfällen den Ruf erarbeitet, eine Frau mit Gespür zu sein. Darauf pocht auch ihr alter Herr, der ihr zudem eröffnet, dass jene Freundin von damals eigentlich ihre Halbschwester ist, Resultat eines der vielen kleinen Seitensprünge des Schauspieler-Filous. Und just diese Franzi steht aktuell unter Mordverdacht.

Eine ideale Vorlage für Kneifls Hobbydetektivin, die sich denn auch ungesäumt an den Tatort begibt und ihre Sensoren ausfährt. Es sind verworrene Familienverhältnisse, auf die sie trifft. Walpurga, die bürgerliche Frau des lang schon per Suizid aus dem Leben geschiedenen Barons von Welschenbach ist in zweiter Ehe mit Philip Mankur verheiratet, einem Sadisten und Hallodri, der das Erbe seiner Angetrauten komplett durchgebracht hat. Er ist der Tote, den seine Stieftochter auf dem Gewissen haben soll. In dem halb zerfallenen Schloss lebt noch Albert, Sohn aus erster Ehe und Franzis großer Bruder, ein Sonderling mit wissenschaftlichen Ambitionen und einem Hang zu Gustav Mahlers Sinfonien. Und schließlich gehört auch Mario zur Familie, der sympathische junge Caféhausbesitzer und Sohn Franzis, mit dem sich Joe schnell anfreundet.

Wie in jedem guten Landhauskrimi hat jedes Familienmitglied sein ganz spezielles Mordmotiv. Und ehe Joe Bellini den Fall löst, muss sie etliche Hypothesen durchspielen, Fallen stellen und Gefahren überwinden. Zum guten Schluss freilich überführt sie gleich zwei Täter - während sie Philips Mörder sucht, passiert eine weitere scheußliche Gewalttat in eben jenem Bootsschuppen, in dem Franzi einst vergewaltigt wurde - und kann auch das bedrängende Rätsel um den Mann, von dem sie im Sommer 79 nur den nackten Hintern sah, lösen.

Alles in allem ist Glücklich, wer vergisst psychologisch solide gearbeitet. Die beschriebenen Verhältnisse aber sind so verworren, dass man schon aufpassen muss, will man den Faden nicht verlieren. Gelungen ist vor allem die Konfrontation von Gegenwart und Vergangenheit. Führt durch die Ereignisse von 1979 ein auktorialer Erzähler unter Benutzung des den zeitlichen Graben schließenden Präsens, so erlebt man die Jetztzeit aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur. Viel Situationskomik entsteht, wenn die gereifte Josefa Bellini auf all jene Figuren trifft, die sie seit 30 Jahren aus den Augen verloren hat. Was Spannung und Thrill angeht, so lässt das neue Buch von Edith Kneifl allerdings nicht gerade das Blut in den Adern gefrieren. Wer ohne das nicht auszukommen meint in einem Krimi, sollte sich eine andere Lektüre suchen.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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