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Don Winslow:
Kings of Cool.
Roman


Berlin: Suhrkamp 2012
351 Seiten
ISBN 978-3-518-46400-7
Eine Ballade vom Verlust der Unschuld




Ben, Chon und O kennen die Leser von Don Winslow schon aus dem Roman "Zeit des Zorns" (Suhrkamp 2011). In dem seit der Schulzeit unzertrennlichen Freundestrio stellt Ben den smarten Geschäftsmann dar, Chon, der erfahrene Navy Seal, lässt, wenn es sein muss, die Muskeln spielen und Ophelia, die sich O nennt, ist das coole Partygirl zwischen den beiden. Nichts scheint die drei aufhalten zu können, bis sie sich mit einem jener mächtigen Drogenkartelle anlegen, auf deren Gehaltslisten Politiker, Polizisten und Anwälte neben eiskalten Killern und gewissenlosen Dealern auftauchen und der persönliche Vorteil jedes Einzelnen Gedanken an Moral und Verantwortung gar nicht erst aufkommen lässt. Und obwohl sie im Kampf gegen diesen Goliath des globalisierten Verbrechens wirklich eine ganze Menge Punkte machen, ist Winslow doch realistisch genug, sie am Ende nicht triumphieren zu lassen. "Zeit des Zorns" gönnt ihnen freilich einen fast märchenhaften Abgang, nimmt sie mit Glanz und Gloria aus einer Welt, in der das abgrundtief Böse jetzt freies Spiel hat.

"Kings of Cool" nun liefert die Vorgeschichte dessen, was Winslow in "Zeit des Zorns" so abgeklärt und pointiert erzählte, dass kaum mehr eine Steigerung denkbar war. Kurz, knapp und ohne Umschweife kam das daher, manchmal schon drehbuchgerecht zurechtgemacht - inzwischen ist die Verfilmung in der Regie von Oliver Stone mit Stars wie Benicio del Toro, Salma Hayek und Blake Lively auf dem Weg in die Kinos - mit fast so vielen Kapiteln wie Buchseiten und einem legendären Opener, welcher in der deutschen Übersetzung lautete: "Fickt euch."

Doch wer Winslows Werk in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß um das Steigerungspotenzial, über welches der Mann verfügt. Und so verwundert es nicht, dass der neue Roman des Amerikaners auf dem Gebiet des Thrillers fast so etwas darstellt wie einst die legendäre Rabbit-Tetralogie von John Updike (1932 - 2009), mit der dieser eine Geschichts- und Seelenkunde der weißen protestantischen amerikanischen Mittelschicht in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ablieferte. Winslow hingegen kümmert sich um die Protestkultur im kalifornischen Hinterhof der USA und das unselige Bündnis, mit dem Surfer und Hippies in den Sechzigern begannen, was Drogenbarone und korrupte Politiker dann zum ganz großen, tödlichen Geschäft weiterentwickelten. Und das Eingangskapitel von "Kings of Cool" braucht sich auch nicht hinter dem seines Vorgängers zu verstecken. Diesmal heißt die Botschaft schlicht: "Leck mich am Arsch."

Denn sie wollen nur in Ruhe gelassen werden, ihr erstklassiges Marihuana verticken und auf die nächste Welle warten. Doch Außenseiter wie Ben, Chon und O haben gegen die sich immer perfekter organisierenden und ihre Absatzmärkte gnadenlos verteidigenden Kartelle keine Chance. Weder mit Bens Gewitztheit noch mit Chons Brutalität kommen sie gegen die Phalanx von gekauften Rechtsverdrehern, geschmierten Polizisten und skrupellos agierenden Gangstern an. Stattdessen wartet am Ende des vergeblichen Versuchs, ihre kleine Nische gegen die Haie des Geschäfts zu verteidigen, die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit und derjenigen ihrer Eltern.

Auf der Gegenwartsebene seines neuen Romans liefert Don Winslow eine ähnliche Auseinandersetzung wie die, welche bereits den Plot in "Zeit des Zorns" ausmachte. Nur spielt der neue Roman als eine Art Prähistorie seines Heldentrios in den Zeiten der Bush-Administration, was seinen Autor, der gern einmal hinter seinen Figuren hervorschaut, zu gelegentlich außerordentlich bissigen Kommentaren verleitet. Weit über den Vorgänger hinaus freilich geht das Buch, wenn es seine Gegenwartsebene immer wieder durchbricht und in mehreren, historisch im Jahr 1967 beginnenden Teilen, eine Geschichte erzählt, die mit dem großen Traum von einer Freiheit jenseits aller gesellschaftlichen Zwänge beginnt und über Nixons "War on drugs" bis in unsere Tage führt, wo hochgerüstete paramilitärische Einheiten das Gewaltmonopol des Staats in den mexikanisch-US-amerikanischen Grenzregionen teilweise außer Kraft gesetzt haben und nach eigenem Gutdünken schalten und walten.

Die Genialität des Erzählers Winslow besteht darin, dass er den historischen Fakten eine Story zuerfunden hat, die, so spannend und rasant wie sie ist, nie das Gefühl aufkommen lässt, an einer trockenen Lektion in Sachen Drogenkrieg teilzunehmen. Und wer die bisher vorliegenden Romane des 59-Jährigen kennt, wird sich zudem freuen, vielen Winslow-Helden wiederzubegegenen, deren Geschichten bereits in eigenständigen Werken erzählt wurden.


© 2012 by Dietmar Jacobsen/ in: KULTURforum. Das Kulturmagazin Ausgabe 2 / 2012, S. 14 f.


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