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Die aktuelle Rezension
(Juli 2010)

Don Winslow:
Pacific Paradise

Berlin: Suhrkamp Verlag 2010,
386 Seiten
ISBN 978-3-518-46172-3


... alles andere aus der Krimiwelt
täglich bei:

" ... wir surfen alle, ständig"




Surfer sind unstete Typen. Wo der Wind weht, da gehen sie hin. Und für die ultimative Welle sind sie bereit, einiges aufzugeben. Nicht gerade die besten Freunde - all jene, mit denen man seine Zeit verbringt bei der Dawn Patrol oder, ein bisschen später, während der Gentlemen's Hour. Aber zumindest ein bisschen von der Bequemlichkeit, die ein fester Job verspricht. Letzterer ist eh nichts für Freaks, die immer ein halbes Auge auf dem Wasser haben. Es sei denn, man wäre Rettungsschwimmer oder irgendwas in der Richtung.

Rettungsschwimmer ist Boone Daniels aber nun gerade nicht. Er könnte es sein - einer aus der Clique, mit der er sich jeden Morgen trifft im Wasser vor der Küste von San Diego, lässig auf sein longboard geflegelt in Erwartung dessen, was da eines Tages mit großer Sicherheit aus den Weiten des Pazifiks auf ihn zurollen wird, hätte keine Mühe, ihm diesen Job zu besorgen -, aber was könnte er andererseits nicht sein. Im Verlaufe des neuen Romans von Don Winslow, des zweiten, der diesen wunderbaren und fast altmodisch moralischen Helden zum Mittelpunkt hat, bietet ihm der Teilhaber einer gefragten Anwaltskanzlei unter der Voraussetzung, er setze sich noch einmal auf den Hosenboden und mache sein Juradiplom, sogar eine gut dotierte Stelle hinterm Schreibtisch und vor den Schranken des Gerichts an. Doch hat Daniels das wirklich nötig?

Winslow zu lesen macht Spaß. Der nimmt gleich zu Beginn von Pacific Paradise - und darin ähnelt er der Surferclique, die für Boone Daniels Familienersatz und für den Leser ein bisschen das andere, lockere, freundliche, sich endlich einmal auf die korrekte Seite schlagende Amerika darstellt - richtig Fahrt auf und hält während der folgenden fast vierhundert Seiten sein Segel beständig hart in den Wind. In 171 (in Worten: einhunderteinundsiebzig) Kapitel hat der Ex-Detektiv, Ex-Safariführer und Ex-Geldschmuggler Winslow seinen Roman unterteilt. Und das heißt: Keine Zeit, um den heißen Brei herumzureden, es geht zur Sache, ganz direkt, auf jeder halben Seite - Cut! Cut! Cut! Es wechseln die Schauplätze, es wechseln die Helden, es wechseln die Perspektiven - allein die Spannung bleibt immer auf gleichmäßig hohem Niveau.

Dabei ist es nicht nur ein Fall, der Daniels (den Privatdetektiv, um dessen Einnahme-Überschuss-Rechnung sich ein kalifornischer Milliardär kümmert) diesmal umtreibt - nein, eigentlich sind es nicht weniger als vier. Einer, den er, bei Lichte besehen, nie hätte annehmen dürfen - neonazistische Schläger haben das Surferidol Kelly Kuhio - auch KK oder K2 genannt -, einen Westküstengott und -guru für Wellenanbeter, auf offener Straße erschlagen. Als Täter schieben sie einen Jungen vor, dessen Unschuld Daniels im Auftrag einer Anwaltskanzlei beweisen soll. Ein weiterer, der Winslows Helden selbst unter Mordverdacht geraten lässt. Gerade hat er mit modernster Technik eine Frau des Ehebruchs überführt, da wird ihr Liebhaber erschossen aufgefunden und Nachbarn erinnern sich, den Detektiv vor dessen Haus gesehen zu haben. Schließlich ein Fall, bei dem alles mitmischt, was Rang und Namen hat in Politik, Wirtschaft und Unterwelt Südkaliforniens und bei dem es um gewaltige Grundstücksspekulationen geht. Und letzten Endes auch noch die unaufgeklärte Geschichte eines seit Jahren verschwundenes Mädchen, die Boone Daniels von Anfang an umtreibt und sozusagen die Hauptmotivation dafür darstellt, dass er immer weitermacht und sich in seinem Gerechtigkeitsstreben nicht beirren lässt.

Was manchmal nicht so einfach ist. Denn Don Winslows Akteur ist zwar ein Einzelkämpfer, der, wenn es pressiert, einfach loszieht und draufhaut, auch wenn er zehn Profis gegen sich hat. Aber letztlich, das zeigte bereits der Vorgängerroman Pacific Private (Suhrkamp 2009), kann er sich eben doch auf sein kleines, aber feines soziales Netzwerk verlasssen. Als da wären: eine Handvoll unterschiedlich talentierter Männer, mit denen er am frühen Morgen in der Brandung abhängt, zwei Frauen, die sein Gefühlsleben mehr durcheinanderbringen denn stabilisieren, und der eine oder andere Großkopferte aus Politik, Business und organisiertem Verbrechen, der sich in seiner Schuld wähnt. Allein weil er den jugendlichen Mörder des allseits verehrten KK nicht für schuldig im Sinne der Anklage hält und dabei behilflich ist, den Unsympathen zu entlasten, droht diesmal fast der GAU in seinem Freundeskreis.

Doch am Ende geht alles gut. Denn schließlich ist Daniels vierter Fall - sein privatester - noch immer nicht gelöst. Also heißt es: Weitermachen! Was die anderen drei Fälle betrifft, so hängen sie, wie immer in den Romanen Winslows, auf vertrackte Weise zusammen. Und so sehr der Leser auch während der Lektüre mitgeht - für eine Überraschung am Ende ist dieser ganz und gar nicht im Krimi-Mainstream mitschwimmende Autor immer gut. Dass auch Pacific Paradise nach einer Verfilmung geradezu schreit, soll hier noch abschließend betont sein. Für Winslow-Leser freilich ist das nicht mehr als eine Binsenweisheit.


© 2010 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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