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Die aktuelle Rezension
(Mai 2009)

Domingo Villar:
Wasserblaue Augen
Zürich: Unionsverlag 2009,
218 Seiten
ISBN 978-3-293-00399-6
Schießen Sie auf den Saxofonisten!




Mit mehr als 400.000 Einwohnern ist Vigo im Nordwesten Spaniens die größte Stadt der Autonomen Region Galicien. Hier gibt es eine Universität, im Hafen der Stadt ankert die größte Fischereiflotte Spaniens und Urlauber können sich an den stadteigenen Stränden, auf den der Atlantikküste vorgelagerten Inseln, in dem steil über den alten Hafen aufragenden Fischerviertel sowie der romantisch-verwinkelten Altstadt der Römergründung prächtig erholen. Fußballfans europaweit ist der hiesige Traditionsklub ein Begriff, auch wenn er heute nur noch in der zweiten spanischen Liga spielt. Und mit Domingo Villar schickt Vigo sich nun auch an, zu einem markanten Ort auf der Weltkarte der literarischen Verbrechensbekämpfung zu werden.

Wasserblaue Augen - im Original 2006 erschienen - heißt das Krimidebüt des 1971 geborenen Galiciers, der bisher als Journalist und Drehbuchautor arbeitete. Und just mit diesen vom Romantitel beschworenen attraktiven Sehorganen schaut Luis Reigosa in die Welt der Bars und Jazzclubs, in der er als angesehener Saxofonist verkehrt. Beziehungsweise verkehrte - denn Luis Reigosa ist tot, auf perfide Weise ermordet in seiner herrschaftlichen Appartementwohnung auf der kleinen Insel Toralla. Wer so einen Hass auf den Mann hatte, dass er ihm auf grausam-hinterhältige Weise mit einer Injektion in seine Männlichkeit für immer lahmlegte, ist das Rätsel, zu dessen Lösung die Polizeibeamten Leo Caldas und Rafael Estévez antreten.

Ein klasse Paar. Caldas ist der Einheimische, der sich auskennt in der Stadt, nebenher im örtlichen Radio als Ratgeberonkel für juristische Zwangslagen auftritt und weiß, wann und wo die Sardinen am frischesten sind. Estévez dagegen - ein entscheidungsfreudiger Aragonese aus Zaragoza, der gern seinen wuchtigen Körper als Argument gebraucht und überhaupt nicht zurechtkommt mit den relativistischen Macken der Einheimischen, deren Art, jede Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten und eindeutigen Antworten praktisch immer auszuweichen. Athos und Porthos sozusagen - hier der Kultivierte mit Manieren und Lebenserfahrung, da das Kraftpaket, das erst anfängt nachzudenken, wenn die Fäuste schon geflogen sind.

Aber es funktioniert. Man rauft sich zusammen auf der Jagd nach einem Mörder, der viel raffinierter ist, als es zunächst den Anschein hat. Und nimmt während des ganzen Unternehmens den Leser mit in eine Welt, die ihm von Seite zu Seite vertrauter wird. Viel Lokalkolorit hat Domingo Villar in seinen Roman eingebaut, eine Menge Atmosphäre liefert er, ohne kritische Themen auszusparen. Es geht kreuz und quer durch eine labyrinthische Stadt, an Plätze des Genusses - der Autor will schließlich nicht umsonst als Restaurantkritiker für das Radio gearbeitet haben - und solche, wo der Touristenboom sichtbare Bausünden hinterlassen hat. Und aus Kneipen und Schwulentreffs führt der Weg schließlich in die Villen und Refugien der Reichen, jener heimlichen Herrscher, ohne die in Politik und Wirtschaft nichts geht und die ihre ungeheuren Gewinne hinter einem scheinbar völlig selbstlosen Mäzenatentum geschickt verbergen.

Am Ende ist der Fall gelöst. Nicht so spektakulär, wie man das gelegentlich im modernen Thriller erleben kann. Wasserblaue Augen ist da eher auf sympathische Weise konventionell. Ein bisschen Whodunit zum Mitraten. Keine globalen Verschwörungen im Hintergrund. Nur die kleinen Motive, die die Welt seit Anbeginn bewegen: Eifersucht und Missgunst, Liebesverrat und Habsucht, Neid und Hass. Das hat immer gereicht, damit Menschen sich gegenseitig übel mitspielten - und es reicht auch hier. Das Ganze serviert Domingo Villar mit viel Humor, minimalistischen Kapiteln mit minimalistischen Ein-Wort-Überschriften, geheimnisvollen Verbindungen zur Ästhetik Hegels und Jazzklängen als Grundierung. Ein Mix, an den man sich gewöhnen könnte.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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