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Die aktuelle Rezension
(Februar 2011)

Darja Donzowa:
Den Letzten beißt der Hund
Berlin: Aufbau Verlag 2010,
343 Seiten
ISBN 978-3-7466-2575-1
Tanja und der Tollwut-Trick




Mit Darja Donzowa hat sich der Berliner Aufbau Verlag aus dem Überangebot an russischen Krimiladys diejenige herausgepickt, der man die Anstrengung beim Schreiben und Erfinden neuer Fälle am wenigsten anmerkt. Immer sind ihre Bücher gespickt mit slapstickartigen Szenen, hinter denen sich aber nicht nur die Lust an der komischen Situation, die beschrieben wird, verbirgt, sondern auch ein echtes Aufklärungsbedürfnis, was die Irrungen und Wirrungen im heutigen Russland betrifft. Die so genannten "Neurussen" bekommen dabei genauso ihr Fett weg wie sensationsgeile Medien, falsche Gurus, die den im russischen Volk weit verbreiteten Aberglauben weidlich auszunutzen verstehen, und all diejenigen, welche um des schnellen Dollars oder Euros Willen - mit Rubeln lässt sich nur noch wenig anfangen, seit die ehemalige Sowjetunion den Bach hinuntergegangen ist - die eigene Großmutter nackt vor dem Leninmausoleum ausstellen würden.

Wenn Donzowa überhaupt Schwächen hat, dann liegen sie im Plot ihrer Romane, der gelegentlich arg an den Haaren herbeigezogen wirkt, und einer Sprache, die so schnell aufs Blatt fließen muss, dass sie dem Klischee nicht immer ausweichen kann. Tränen sind bei ihr fast immer "bitter", Angst ist gewöhnlich "kalt", der Schweiß natürlich auch. Aber wie sonst sollte die Frau wohl in knapp zehn Jahren 46 Romane in 4 Krimireihen schreiben können? Und auch, wenn die beiden eben erwähnten Einwände für manchen so gravierend sein mögen, dass sich daran für ihn gute von schlechten Büchern unterscheiden - glauben Sie mir: Nach 20, 30 Seiten pfeift man einfach aufs Klischee, fragt nicht mehr, warum eine Sache so um vier Ecken herum motiviert wurde, und amüsiert sich einfach köstlich.

Diesmal steht am Anfang von Tanja Romanowas ganz persönlichem Kampf gegen das Verbrechen eine Katastrophe. Die schon etwas heruntergekommene Datsche der Ex-Harfenistin und Möchtegern-Detektivin mit eigenem Büro und guten Beziehungen zur Moskauer Kripo übersteht eine regnerische Sommerwoche nicht und stürzt ein. Tanja, ihre Patenkinder Kira und Lisa, etliche Hunde, Katzen und eine Kröte namens Gertrud stehen plötzlich ohne Dach über dem Kopf da. Doch zum Glück stellt sich schnell heraus, dass ein neureicher Russe, der sich in kurzer Zeit einen Palast auf das Nachbargrundstück hat stellen lassen, die als Nebenprodukt seiner Bautätigkeiten anfallenden Erdbewegungen falsch berechnen lies. Und so muss er nun für den Schaden aufkommen.

Da wären sie also alle wieder beisammen, die Ingredenzien, aus denen die Donzowa ihre Erfolgsromane zusammenmixt. Eine sympathische, politisch vollkommen unkorrekte, von der Figur her nicht ideal gebaute, aber weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallene Heldin, die die neue und die alte Zeit erlebt hat und deshalb ganz genau weiß, was aktuell schief läuft. Zwei Rangen, die ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchen, ihr aber auch, wenn es nötig ist, schnell auf die Sprünge helfen. Eine kleine Tiermenagerie, deren Streiche bei Lesern mit Hang zu Haustieren jeder Art sicher gut ankommen. Und die Familie eines Neureichen, reichlich gepatchworkt, damit, wenn der Ernährer all dieser mal mehr, mal weniger miteinander verwandten Menschen dann ins Gras gebisssen hat, die Suche nach dem Täter nicht so einfach wird.

Gleb Larionow heißt das Opfer diesmal. Der Mann ist im Nachwende-Moskau der Oligarchen steinreich geworden, indem er eine Imbissladenkette aus dem Boden stampfte. Und je mehr Geld er machte, umso größer wurde natürlich das Heer von Parasiten, das sich in seiner Villa um ihn sammelte. Kinder aus erster und zweiter Ehe, dazu eine lettische Enkelin aus einer lange zurückliegenden Beziehung, zänkische alte Weiber, unfähige Söhne mit gewaltigem Geldbedarf samt untreuen Ehefrauen und umgekehrt - nicht zu reden von den Domestiken und Wächtern, die sich rund um die Uhr um den schmarotzenden Haufen kümmern. Und dann sitzt der Hausherr eines schönen Morgens in seinem Schreibtischsessel und hat eine Kugel im Kopf. Tanja, übernehmen Sie!

Der Weg ist das Ziel, sagt Konfuzius. Als hätte er zu seiner Zeit schon Darja Donzowas Kriminalromane im Regal stehen gehabt. Wenn ich Ihnen hier den Namen des Mörders verriete - Keine Angst, das mache ich natürlich nicht! - würde das, entsprechend dem Wort des großen Philosophen, letztlich nur zu einer geringen Einbuße an Lesespaß führen. Denn die Autorin und ihre Heldin Tanja durchleuchten mit den ihnen eigenen Mitteln das heutige Russland. Und sie konzentrieren sich dabei, um ein weiteres geflügeltes Wort zu strapazieren, eher auf die Art und Weise, wie da gehobelt wird, als auf den einzelnen Spahn, der fällt. Das ist satirisch, übertrieben, manchmal ungerecht - aber immer aufschlussreich und mit einer gesunden Portion Verstand, wie man ihn auf Moskaus Straßen hoffentlich noch findet, versehen. Was das mit Tollwut zu tun hat, fragen Sie? Und wie wohl gar ein Tollwut-Trick aussieht? Nun, alle Leseanstrengung sollte ich Ihnen vielleicht auch nicht abnehmen, oder?


© 2011 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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