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Die aktuelle Rezension
(Oktober 2009)

Darja Donzowa:
Vögel, die am Abend singen
Berlin: Aufbau Verlag 2009,
386 Seiten
ISBN 978-3-7466-2506-5
Tanja ist nicht totzukriegen




Tanja Romanowa ist die Heldin, mit der die umtriebige russische Autorin Darja Donzowa den meisten Erfolg hat. In Vögel, die am Abend singen ermittelt die taffe Moskauerin mit der zierlichen Statur schon zum sechsten Mal auf eigene Faust - und den Leser erwartet wieder genau jene Mischung aus gekonnter Unterhaltung, beißender Gesellschaftssatire und spannender Kriminalgeschichte, die so etwas wie das Markenzeichen einer Schriftstellerin darstellt, die allein in ihrer Heimat mehr als 70 Millionen Bücher verkauft hat.

Wer die Vorgängerbände von Nichts wäscht weißer als der Tod (2006) bis zu Verlieb dich nie in einen Toten (2009) gelesen hat, wird auch das neueste Abenteuer der sympathischen Harfenistin, die sich in der Nachwendezeit als Haushälterin und Detektivin durchschlägt, mögen. Und ihr deutscher Verlag bringt die einzelnen Titel der Serie noch dazu in so kurzen Abständen - für Anfang 2010 ist schon Tanjas nächster Fall annonciert -, dass die Gefahr, nach neuen Geschichten um die Romanowa süchtig gewordene Leser zu verlieren, gar nicht erst aufkommen dürfte.

Diesmal jedenfalls drängen alte Bekannte aus dem Moskauer Konservatorium, einstige Mitstudenten und Professoren, in Tanjas Leben. Und ehe sie es sich versieht, ist einer von denen tot und seine Witwe erteilt ihr den Auftrag, seinen Mörder zu finden. Natürlich ahnt Tanja wieder einmal nicht, worauf sie sich da einlässt. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf, einen Lauf, der immer schneller wird und schließlich gar Donzowas Hauptfigur in Lebensgefahr bringt.

Aber natürlich steht Tanja Romanowa nicht allein da. Ihren emotionalen Rückhalt stellt eine bunt zusammengewürfelte Patchworkfamilie dar, zu der auch ein paar Hunde und Katzen sowie neuerdings ein Papagei gehören. Um Platz für alle zu schaffen, hat man aus zwei Moskauer Mietwohnungen eine gemacht, in der Tanja mehr schlecht als recht das häusliche Regiment führt. Und sollte es einmal ganz hart kommen, wohnt auf derselben Etage noch ein alter Freund, Major Wolodja Kostin, Ermittler der Moskauer Kripo, der auch diesmal - wie im Vorgängerband - erst Anlass zu Misstrauen liefert, ehe er im finalen Showdown die etwas überfordert wirkende Heldin aus der Gefahrenzone holt.

Ganz gewiss sind die Romane der Darja Donzowa nicht jedermanns Sache. Wenn es ihr einfällt, dann lässt sie Mordfall erst einmal Mordfall sein und verfolgt über zehn Seiten, mit welcher Findigkeit Menschen im heutigen Moskau begabt sein müssen, um die Tücken des täglichen Lebens zu meistern. Da gibt es Exkurse zu allen möglichen Dingen: der Vorsicht, die geboten sein muss, wenn man sich nachts an ominösen Buden noch eine Meeresfrüchtepizza kauft, den seltsamen Wegen, die aus Stargeigern über Nacht Friedhofsdirektoren machen, der Tatsache, dass Vorstrafen in der Personalakte im postkommunistischen Russland fast wie Empfehlungen wirken oder der Erkenntnis, dass das Alte viel zu schnell der Vergessenheit anheimfällt, obwohl es in vielfältiger Art und Weise noch in die Nachwendezeit hineinwirkt.

Ja, Darja Donzowas Romane sind auch Dokumente des gesellschaftlichen Wandels in ihrer Heimat. Auf ihre Art und Weise - humorvoll, streitlustig und klug - begleitet die 1952 Geborene die aktuellen Transformationsprozesse. Wenn sich in Vögel, die am Abend singen am Ende die Fäden entwirren und der Fall seiner Lösung zugeführt wird, mag diese manchem etwas an den Haaren herbeigezogen, sprich: allzu konstruiert, vorkommen. Doch vielleicht ist sie gar nicht das Wichtigste in einem Buch voller köstlicher kleiner Episoden, die mehr über das Leben im neuen Russland preisgeben, als man von einer Kriminalgeschichte eigentlich erwartet.

© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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