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Die aktuelle Rezension
(Mai 2009)

Christoph Steier:
Framhuysen.

Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag GmbH 2009, 142 Seiten
ISBN 978-3-89812-616-8
Von Heuschrecken und Haushütern




Cord Framhuysen bewacht fremde Häuser in Abwesenheit von deren Besitzern. Und er macht das professionell. Wenn die Hausherren zurückkommen, sollen sie sich fühlen, als wären sie nie weggewesen. Vor allem der Geruch in den Räumen muss konserviert werden, hat Framhuysen gelernt, schon ein einziger Luftzug zuviel oder zuwenig könnte die Atmosphäre nachhaltig verändern.

Eine merkwürdige Figur, dieses ehemalige Tennisass, das Christoph Steier zum Helden seiner zweiten Prosaarbeit gemacht hat. Ein Mann, der ganz von sich absehen kann, ja von sich absehen muss, will er seinem lukrativen Job gerecht werden. Einer, der wie ein Gespenst durch die Räume gleitet, die seiner Obhut anvertraut sind. Von dem nichts abfärben darf auf seine jeweilige Umgebung, der spurenlos in einer fremden Hülle sich einnistet, bis sein Auftrag erledigt ist.

Seine ganze Vergangenheit scheint Framhuysen übrigens auf sein zweites Leben vorbereitet zu haben. Einstmals verheiratet und Vater einer inzwischen erwachsenen Tochter, hat er die Beziehungen zu den Menschen, die ihm nahestanden, inzwischen so gut wie einschlafen lassen. Ein dummer Unfall hat ihn ein Auge gekostet, danach ging, weil Tennis ein "Raumsport" ist, seine erste Karriere zu Bruch. Fortan verlor er die Kraft, seine Umstände selbst zu bestimmen, wurde immer leiser und innitiativloser, bis er endlich bei der Agentur landete, die ihn seither in fremde Häuser schickt. Dorthin begleiten ihn - fast wie Wappentiere - Stabheuschrecken, die er nach bewegungsarmen Tennisspielerinnen benennt und, weil ihre Lebenserwartung nicht allzu hoch ist, immer wieder gegen neue austauscht. Jene "Gabriella Sabatinis" und "Lindsay Davenports" bedürfen nach einer ersten Begattung keiner Männchen mehr, nahezu leblos und so gut wie unsichtbar hängen sie in ihren Terrarien unter kleinen Ästen und sind es zufrieden, wenn man sie hin und wieder zur Weckung ihrer Lebensgeister mit einem Tropfen Wasser besprüht.

Doch dann kommt der Tag, an dem es nicht mehr reicht, als guter Geist im Verborgenen zu wirken und keinerlei Spuren zu hinterlassen. Denn als Cord Framhuysen in das Nobeldomizil eines bekannten Schauspielers geschickt wird, das er nicht zum ersten Mal vor Ungemach schützen soll, trifft er dort plötzlich auf einen geheimnisvollen Fremden, der gar nicht da sein dürfte. Und es entspinnt sich, Zug für Zug, oder, um im Tennisjargon zu bleiben: Satz für Satz, ein Spiel, in dem es Steiers Protagonisten schnell an den Kragen gehen könnte, wenn er nicht jeden Angriff reaktionsschnell parieren würde.

Steier, Jahrgang 1979, hat mit Framhuysen ein kleines Gaunerstück vorgelegt, das zum Ende hin die Spannung nicht ganz halten kann, die es eingangs so geschickt aufbaut. Zwar wartet es noch mit einem nicht ungeschickten Finale auf, doch der Weg zum Matchpoint wird etwa ab der Mitte des Textes immer steiler. Bis dahin weiß der Leser, wer wer ist, hinter welcher Maskerade er sich verbirgt und was er jenseits aller Bonhomie, die er geschickt zu spielen weiß, tatsächlich für Ziele hat. Indem Steiers Kriminalnovelle all diese Ahnungen nur bestätigt und nicht mehr,erweist sich ihr literarischer Mehrwert unterm Strich auch als eher gering. Letztendlich bewegt sich der Autor auf dem vertrauten Terrain, dass im Kino Filme wie Rififi oder Der Clou schon vor Jahrzehnten abgesteckt haben. Ein Hauptmerkmal der Novelle - nämlich in gedrängter Form etwas Neues, bisher nicht Gehörtes anzubieten - wird von Framhuysen deshalb nicht erfüllt, auch wenn der Text mit dem geschickt sich seiner Umgebung anpassenden langbeinigen Insekt ein äußerst interessantes Novellensymbol aufzuweisen hat.

Und noch ein Letztes. Literarischen Formen wie der Novelle, die sich von vornherein einer Beschränkung unterwerfen, tut es nie gut, wenn die Handlung allzusehr über den grundlegenden Konflikt hinauswuchert. Der Nebenschauplatz der Brustverkleinerung der Framhuysen-Tochter Nina, der viele Seiten frisst, ohne in näherer Beziehung zum zentralen Geschehen zu stehen, hätte deshalb gar nicht erst aufgemacht werden müssen. Weder Erotik noch Witz kommen damit ins Buch, sondern nur der Ärger über eine verwöhnte Münchner Schickeriagöre, wie sie konstruierter gar nicht sein könnte.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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