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Die aktuelle Rezension
(Juni 2010)

Bruno Morchio:
Bitteres Rot

München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2010,
254 Seiten
ISBN 978-3-423-21204-5


... alles andere aus der Krimiwelt
täglich bei:

"... wer befreit uns von unserer Schuld?"




Der Genueser Psychotherapeut Bruno Morchio hat es als Autor leiser, mehr auf Psychologie denn auf Action setzender Romane zu Bestsellerruhm gebracht. Sein Serienheld heißt Bacci Pagano. Und natürlich ermittelt er in Genua. Bitteres Rot ist sein sechster Fall und zugleich derjenige von den sechsen, der ihn am heftigsten mit sich selbst und seinem Herkommen konfrontiert.

Dabei sieht am Anfang alles so aus, als ließe sich einmal ohne größere Anstrengung viel Geld verdienen. Nur einem verlorengegangenem Halbbruder soll Pagano auf die Schliche kommen - zwecks später, aber hoffentlich nicht zu später Familienzusammenführung. Der Mann, der diesen lukrativen Auftrag vergibt, ist ein deutscher Professor namens Kurt Hessen. Dessen Mutter: eine Italienerin eben aus Genua, die in den Tagen der Resistenza von einem Wehrmachtsoffizier schwanger wurde. Sie hatte sich das Vertrauen des Deutschen erschlichen, um für ihre Freunde herauszubekommen, welche Landsleute im Solde des Feindes standen und Widerständler an den Feind verrieten. Nach dem Krieg - der junge Hessen wuchs inzwischen bei Verwandten seines Vaters in Köln auf , der Vater selbst war in Genua bei einem Anschlag von Partisanen auf ein Kino umgekommen - heiratete seine Mutter, die die Verbindung zu ihm abgebrochen hatte, schließlich ihren italienischen Jugendfreund und brachte einen weiteren Sohn zur Welt. Um den geht es nun - denn Professor Hessen ist dem Tode nahe und hat anscheinend eine Menge an seinen Halbbruder zu vererben.

Bruno Morchio entwickelt seine Geschichte, indem er Kapitel für Kapitel zwischen Vergangenheit und Gegenwart alterniert. Letztere erzählt er in der Ich-Form aus der Sicht seiner Hauptfigur, für die Rückblicke ins Jahr 1944 bedient er sich eines auktorialen Erzählers. Der Leser erlebt dabei einerseits, wie sich eine junge Frau bereitwillig opfert, ihr Intimstes hergibt, um ihr Scherflein zur Befreiung des Heimatlandes beizutragen. Andererseits will sich ein halbes Jahrhundert nach dieser Tat niemand von den noch lebenden Zeitzeugen und damaligen Akteuren mehr an die Geschichte erinnern. Und je intensiver Pagano seine Recherchen betreibt, umso undurchlässiger wird die Mauer des Schweigens, auf die er stößt.

Denn sie haben alle etwas zu verbergen. Hessen die wahren Beweggründe für sein Interesse am Schicksal seines Halbbruders und die Tatsache, bei der Auftragserteilung an den Detektiv verschwiegen zu haben, dass er nicht zum ersten Mal in dieser Angelegenheit in Genua Nachforschungen anstellt. Die alten Genossen hingegen ihre konkrete Beteiligung an einem Unternehmen, das raffiniert ins Werk gesetzt wurde, dann aber katastrophal misslang und das Leben einer Unschuldigen forderte.

Bruno Morchio hat in Bitteres Rot den Erinnerungsschatz seiner eigenen Familie an die Zeit des Widerstands in Genua mit eingebracht. Das scheinbar in den Nebeln des Gestern Versunkene und unser Leben im Heute und Jetzt - sie hängen enger zusammen, als viele das wahrhaben wollen, ist eine wichtige Botschaft des Romans und auch für den Detektiv Pagano hält das Buch in dieser Hinsicht gegen Ende noch einige Überraschungen bereit. Weiterhin aber wird hauptsächlich die Frage aufgeworfen, ob eine an sich gerechte Sache in ihrem Namen begangenes Unrecht zu legitimieren vermag und wer die Schuld an dem, was man heute wohl als Kollateralschaden bezeichnen würde, auf sich zu nehmen hat.

Das sind gewichtige Probleme für einen Kriminalroman und es hätte deshalb der etwas ausufernden Geschichte um einen brutalen Menschenhändlerring, der in Genua sein Unwesen treibt und von Bacci Pagano fast im Alleingang auseinandergenommen wird, als eines weiteren Handlungsstrangs gar nicht bedurft. Doch wahrscheinlich hat sich der Autor bei der Konzeption seines Romans gefragt, ob es ausreicht und für genug Spannung sorgt, wenn er sich auf diese ethisch-moralische Fragestellung beschränkt. Dass er diese Frage dann für sich offensichtlich mit "Nein" beantwortet hat, stellt ein Zugeständnis an die auf Action versessenen Leser dar und ist der einzige Schwachpunkt eines ansonsten gelungenen Buches.


© 2010 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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