Home
Kurse
Termine
Lektorat/ Korrektorat
Webdesign
Links
Rezensionen
Kontakt
Impressum
www.text-und-web.de
Weiterbildung/ Text-Management/ Design
Astrid Seehaus:
Tod im Eichsfeld.
Roman


Erfurt: Sutton Verlag 2012
204 Seiten
ISBN 978-3-86680-992-5
High Noon in Böseckendorf




Überall wird gemordet - nur in Thüringen nicht. Dachten sich Anfang 2011ein paar findige Leute und riefen den Thüringer Krimipreis ins Leben. 39 Männer und Frauen hörten den Ruf und luden augenblicklich durch. Im Nu färbten sich Thüringens Äcker rot, hallten Schüsse durch die friedlichen Gassen beschaulicher Residenzstädtchen, gingen Thüringer Thüringern mit allem, was waffentauglich schien, an den Hals. Am Ende siegte eine Mistgabel. Anders ausgedrückt: Den ersten Thüringer Krimipreis erhielt während der diesjährigen Leipziger Buchmesse die im Eichsfeld lebende Autorin Astrid Seehaus. In ihrem den Schauplatz gleich im Titel tragenden Roman ist die Tatwaffe vierzinkig und steckt tief in der Brust eines Böseckendorfer Großbauern. Kripo Heiligenstadt, hilf!

Ich muss gestehen: Der so genannte Regionalkrimi tummelt sich zu knapp 90 Prozent jenseits meiner literarischen Toleranzschwelle. Mit aller Macht auf internationalem Niveau in Idyllen morden zu lassen, wo ansonsten nur sympathische Eierdiebe der Kleinstkriminalität frönen - nicht mit mir! Und auch Astrid Seehaus fängt so an, dass man am liebsten gleich wieder aufhören möchte. Diese Überambitioniertheit legt sich aber ziemlich schnell. Übrig bleibt ein über weite Strecken spannender Roman mit interessanten und liebevoll gezeichneten Figuren. Und auch ein Buch, das nicht durch wilde Morderei ein kleines Stück Deutschland touristisch aufmotzen will, sondern zwingend da spielt, wo es spielt, in einem Dorf an der ehemaligen innerdeutschen Grenze nämlich.

Hier, knappe 15 Autominuten von Heiligenstadt in Thüringen und Göttingen in Niedersachsen entfernt, liegt an einem Maimorgen nach einem schweren Unwetter Georg Stahlmann in seinem Blut. Des Toten Name war Programm. Und selbstverständlich war der reiche Bauer, der sich 1961 in den Westen abgesetzt hatte, einer der ersten, die nach der Wende wiederkamen und auf ihr Eigentum pochten. Zwanzig Jahre später ist er folgerichtig in Familie wie Gemeinde von Menschen umgeben, die alle von seinem Tod profitieren würden. Viel Feind, viel Ehr', viel Arbeit für die Polizei.

Die wird angeführt von dem soeben aus Erfurt nach Heiligenstadt umgezogenen Kommissar Frank Rothe. Der ist seit neun Jahren Witwer, hat jede Menge Stress mit seiner behinderten Tochter Jessica und einen unausgeglichenen Hormonhaushalt, dem der Roman eine zart angedeutete Sexszene verdankt. Ansonsten ermittelt er aber so seriös wie unspektakulär, muss sich ganz nebenbei noch eines Rivalen in den eigenen Reihen erwehren und löst den Fall am Ende souverän. Fortsetzung und Verfilmung nicht ausgeschlossen.

Tod im Eichsfeld ist ein kleiner feiner Nachwendekrimi. Nicht immer stimmen die Bilder, das Lektorat hat auf Seite 116 eine "Tretmiene" übersehen und das drostemäßig-balladeske Ambiente, in dem Astrid Seehaus die Schauertat geschehen lässt - ein Blitz schlägt ein, eine Eiche zerbirst und die Kirchenglocke beginnt zu läuten während Stahlmann die Forke trifft - scheint mir auch ein wenig übertrieben. Dafür ist dann aber die Schlusspointe wieder gelungen und Lob gebührt der Autorin vor allem dafür, dass sie mit ihrem ersten Kriminalroman nicht ins Nirgendwo hineinfabuliert, sondern die deutsche Geschichte der letzten 60 Jahre als Hintergrund für ein sehr realistisches Szenario verwendet. Hier sollte sie als erste Thüringer Krimipreisträgerin Maßstäbe setzen für all die, die ihr hoffentlich noch folgen werden. Wir brauchen keine Serienmörder in Saalfeld, glauben nicht an Geheimbünde in Gera und Greiz und wollen nichts wissen von den Untaten des Paten von Pößneck. Ein Schuss Realismus hat noch jedem Thriller gutgetan. Denn schließlich sind wir nicht in Schweden, sondern im grünen Herzen Deutschlands.


© 2012 by Dietmar Jacobsen/ in: Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen. Heft 2/2012, S. 183 f.


Lesen Sie bitte hier meine letzten Rezensionen

Zum Seitenanfang
Zur Startseite