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Die aktuelle Rezension
(März 2009)

Andrea Maria Schenkel:
Bunker.

Hamburg: Edition Nautilus
2009, 122 Seiten
ISBN 978-3-89401-586-2
Wo Täter Opfer sind und Opfer Täter




Nach den preisgekrönten und von der Kritik bejubelten Romanen Tannöd (2006) und Kalteis (2007) legt Andrea Maria Schenkel nun mit Bunker ihr drittes Werk innerhalb von drei Jahren vor. Titel und düsteres Coverbild sollen im potenziellen Leser wohl Erinnerungen an den spektakulären Inzestfall im österreichischen Amstetten wecken. Mit Fritzl und den Seinen hat Schenkels Geschichte, die auf gerade einmal 122 Seiten erzählt wird, aber nichts zu tun. Eher schon mit Thea Dorns vor etwas mehr als Jahresfrist erschienenem Buch Mädchenmörder. Ein Liebesroman. Ein Vergleich freilich - würde man ihn denn seriös angehen - fiele deutlich zugunsten von Schenkel aus. Ihr Text ist sprachlich komprimierter, positioniert seine beiden Helden jenseits aller Effekthascherei und verleiht deren Charakteren Tiefen, wie sie die 19-jährige Julia Lenz der Dorn, die - Stockholm-Syndrom, ick hör' dir trapsen! - ihrem Entführer und Vergewaltiger am Ende süße Liebesbriefchen schreibt, nicht besitzt.

Erster Versuch eines rein fiktionalen Romans der bayerischen Autorin also gelungen? Naja, mit Einschränkungen. Aber erfunden ist die Sache gut. Und sie vermag ihren Spannungsbogen zu halten - fast bis zur letzten Seite.

Da ist Monika, die von ihrem Arbeitsplatz weg - einer Autovermietung - entführt wird. Und da ist ihr Entführer, frühgeschädigt und knasterfahren, der, so hat es zunächst den Anschein, nur auf den Zugang zum Tresor aus ist, in dem Monikas Chef sein Bargeld hortet. Weil die Frau aber den Schlüssel zum Geldschrank nicht findet, nimmt er sie mit - in den die Stadt umgebenden Wald, zu einer abgelegenen kleinen Mühle mit einem Luftschutzbunker im Keller. Dort sperrt er sie ein paar Tage lang ein und nach und nach wird ihr klar, dass kein Zufall gewesen sein kann, was ihr da passiert ist.

Denn der Mann kennt sie offensichtlich. Er muss in ihrer Wohnung gewesen sein, weil in ihrem Gefängnis Familienbilder auftauchen, die er nur dort entwendet haben kann. Und er hat es keineswegs eilig, an den Schlüssel zu kommen, dessen Fehlen das ganze Drama scheinbar erst in Gang setzte. Ja, er lässt der Frau in einem gewissen Rahmen sogar Freiheiten, die sie, wenn sie es ein bisschen risikoreicher anginge, zur Flucht nutzen könnte. Allein Monika kehrt immer wieder zu dem Unbekannten zurück, in dem sie eine Person vermutet, der sie in der Vergangenheit geschadet hat, wofür die sich nun rächen will.

Raffiniert, wie Schenkel mit insgesamt drei Perspektiven arbeitet. Da ist zum einen eine objektiv beobachtende und berichtende Instanz, die den ganzen Fall nicht kennt und nur sein Ende - die für alle sichtbaren Folgen des Aufeinandertreffens der beiden Protagonisten - dokumentarisch an den Leser weitergibt. Die beiden anderen Erzählpositionen verlagert die Autorin in ihre Figuren, lässt sie wechselseitig von der Entwicklung der Dinge in der Gegenwart berichten, zunehmend aber auch die Gedanken in die Vergangenheit ausschweifen, in der sich beide mit großer Schuld beladen haben.

Bunker ist ein Kammerspiel, ein Zwei-Personen-Drama mit tragischem Ausgang, in dem die Rollenverteilung ständig wechselt. Wer ist hier Täter, wer Opfer? Was auf den ersten Blick so klar zu sein scheint, wird von der Autorin nach und nach aufgeweicht. Und indem die Vergangenheitsperspektive ins Spiel kommt, zwei Familien in den Fokus rücken samt ihrem Umgang mit den jeweiligen Kindern - hier dem Mädchen, da dem Knaben -, entdeckt der Leser urplötzlich Mitleid und Mitgefühl mit demjenigen, den er eigentlich ob seiner Taten verachten sollte.

Abgesehen von dem Knalleffekt am Buchende - der mir ein bisschen zu spektakulär und aufmerksamkeitsheischend ausfällt -, erzählt Andrea Maria Schenkel diese Geschichte wieder in der ihr eigenen Art, ruhig und fast lakonisch, einer Sprache vertrauend, die das Komplizierte meidet und uns ganz nahe an zwei Personen und deren verschiedene Welten heranführt, von denen sich plötzlich herausstellt, dass sie mehr miteinander gemeinsam haben, als je zu vermuten stand. Hier die Opfer - da die Täter: Eine Konstellation, der man nach der Lektüre dieses Romans nicht mehr so richtig trauen will. Denn man ist dank der Kunst dieser Autorin in Bereiche eingedrungen, in denen sich Schwarz und Weiß zu Grau vermischen.



© 2009 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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