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Die aktuelle Rezension
(März 2011)

Åke Edwardson:
Der letzte Winter
Berlin: Ullstein Verlag 2010,
511 Seiten
ISBN 978-3-550-08713-4
"Workout in der Hölle"




Mit Der letzte Winter schließt Åke Edwardson seine Serie um den Göteborger Ermittler Erik Winter ab. Natürlich - wie es sich für einen Schweden in der Nachfolge des legendären Autorenpaares Sjöwall/ Wahlöö gehört - nach genau zehn Bänden. Und mit einem Fall, der Winter und einer Handvoll seiner Kollegen noch einmal alles abverlangt, den Kommissar an Grenzen heranführt, jenseits derer das Nichts lauert, und ihn in Bewährungssituationen stellt, an denen er fast zerbricht.

Im Gegensatz zu Autorenkollegen, die es richtig krachen lassen, wenn die Gewalt in die Welt ihrer Bücher einbricht, kommt der Tod bei Edwardson leise, fast verstohlen. Da wachen zwei Männer in Göteborg auf und finden sich plötzlich im Bett neben den erkalteten Körpern ihrer jungen Frauen liegend. Friedlich schauen deren Gesichter aus - und doch hat sie jemand im Schlaf mithilfe eines Kissens erstickt. Und ein paar Kilometer weiter wird die Leiche eines Mannes, gekleidet wie für eine Beerdigung, just in dem Moment von den Wellen der See an Land gespült, als Kommissar Winter mit seinen beiden Töchtern Steine über das Wasser springen lässt.

Zwei Fälle, an denen sich die Göteborger Kriminalisten eine ganze Weile die Zähne ausbeißen. Den Toten vom Strand will niemand gesehen haben, als er seinen letzten Weg antrat. Wer für den Tod der Frauen verantwortlich ist, wenn deren Männer, auf die natürlich der erste Verdacht fällt, unschuldig sind, steht dahin. Ganz zu schweigen von der Frage, womit man es hier letzten Endes zu tun hat - tragischen Unglücksfällen oder teuflisch ersonnenen Morden.

Wer Åke Edwardson auch nur ein bisschen kennt, ahnt früh, dass in dem Geflecht an Geheimnissen, als das Der letzte Winter eingangs seinem Leser gegenübertritt, wieder einmal alles mit allem zu tun hat. Denn der 1953 geborene Autor ist ein wahres Kompositionsgenie. Bei ihm ist nicht einmal der einige Male im Verlaufe des Romans episodenhaft auftauchende Tommy Näver, der an immer ein und derselben Ecke in Göteborg die Obdachlosenzeitung FAKTUM unter die Leute bringt, bedeutungslos in Bezug auf die Haupthandlung. Ganz zu schweigen von der Polizistin Gerda Hoffmann, die, in die beiden gutbürgerlichen Wohnungen gerufen, dort mit den ersten Toten ihrer Karriere konfrontiert wird und so lange über die Tatorte nachsinnt, bis ihr Gemeinsamkeiten auffallen, die, als sie ihnen auf eigene Faust nachspürt, sie selbst in Lebensgefahr bringen.

Im Mittelpunkt allerdings steht Erik Winter. Denn auf ihn scheint sich der Täter schließlich zu fokussieren. Ihm spielt er eine DVD zu, auf der er akribisch die beiden Schlafzimmer mit den ermordeten Frauen und den schlafenden Männern neben ihnen gefilmt hat. Und mit ihm beginnt er ein Spiel, indem er ihm filmisch suggeriert, es gebe einen dritten Ort, an dem in naher Zukunft ein weiteres Verbrechen geschähe.

Der letzte Winter ist mit seinem wunderbar doppeldeutigen Titel ein würdiger Abschluss der Reihe um den Göteborger Kommissar. Wieder führen ihn die Spuren letzten Endes in die Vergangenheit. Die des Täters, die seiner Opfer und die von Erik Winter selbst. Am Ende kann der die Verbrechen zwar aufklären, aber den Täter festzuhalten vermag er im wahrsten Sinne des Wortes nicht. Und zerbricht fast an der Erkenntnis, dass er nicht jeden retten kann und es Kämpfe gibt, in deren tödliche Mechanik einzugreifen ihm nicht gelingt.

Aufgefangen wird Winter letzten Endes von seiner Familie. Ob er mit Hilfe seiner Frau und der beiden Kinder tatsächlich einen Neuanfang schaffen wird, steht dahin. Immerhin sind die Seinen für ihn da, wenn er schließlich alle Brücken zu seiner vormaligen Existenz als Kriminalist abzubrechen begehrt. Der Leser aber nimmt diesen Entschluss mit Unbehagen zur Kenntnis. Nach Kurt Wallander verabschiedet sich hier schon die nächste ihm über die Jahre lieb gewordene Romanfigur. Einem sollte es doch endlich einmal gelingen, das Sjöwall/ Wahlöösche Gesetz des Dekalogs zu brechen. Und wenn das ausgerechnet Erik Winter wäre - wir hätten nichts dagegen.


© 2011 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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